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Sonntag:
Matthäus 25,31-46
Evangelium
Das ist ein metaphorischer Text so wie alle Texte, die von Geschehnissen auf der Grenze zur
Ewigkeit reden. Metaphorisch ist er, weil die Ewigkeit hier als ein Zeitraum erscheint, als
gäbe es eine jenseitige Existenz, in der sich die diesseitge fortsetzt. Aber das wäre gar
nicht Ewigkeit, sondern nur Diesseitigkeit unter anderen Umständen. Somit ist auch unser
Reden vom „Leben nach dem Tod“ metaphorisch. Wir projizieren die Daseinsbedingungen
unseres Lebens im Diesseits auf das Jenseits. Wir können nicht anders als in Bildern
von der Ewigkeit reden, weil wir sie nicht denken können.
Man muss sich die Ankunft des Menschensohns also nicht wie in einem Monumentalfilm
als bombastischen Durchbruch aus dem Himmel auf die Erde vorstellen, als würde
sich da der Pantokrator mit seinem unendlich großen Heer von sonderbaren Engelwesen,
die wie er selbst nun für alle Welt sichtbar sind, in seinem auserkorenen
Regierungssitz auf dem Globus niederlassen und per Dekret alle Völker zum großen
Showdown einbefehlen. Man mag es tun, wenn es den Glauben stärkt, aber man muss
es nicht. Doch gilt es auf die Prophetie dieses Textes zu hören: Es wird eine
endgültige, letzte Scheidung geben zwischen dem wahrhaft Menschlichen und dem
teuflisch Unmenschlichen. Es wird eine weltumspannende Klärung geben, eine
kompromisslose Ausscheidung des Bösen. Es wird ihm nicht mehr erlaubt sein,
Herrschaft zu gewinnen und sich auszubreiten.
Statt „Engel“ übersetzt man hier vielleicht besser „Boten“, was vom Wort her auch
gut möglich ist. Die Boten des Menschensohns, die Boten der wahren Menschlichkeit,
werden diese Klärung herbeiführen und sie festigen. Sie werden denen beistehen,
in denen sich das Böse regt und die darunter leiden, so dass es nicht mehr in
ihnen zur Entfaltung kommt wie zuvor, als sie viel zu oft damit allein gelassen
waren und ihm erlagen. Hingegen wird es für die Boten des Bösen wie für das
Böse selbst auf dem ganzen Erdball keinen Platz mehr geben. Das Böse wird völlig
überwunden.
Dementsprechend besteht das einzige Kriterium dieses „letzten Gerichts“ in der
Frage nach der Menschlichkeit. Die „Gesegneten des Vaters, die das Reich ererben,“
das ihnen „bereitet ist von Anbeginn der Welt“, das sind sehr schlicht und einfach
die menschlichen Menschen, nicht die Moralisten, die ihre ach so guten Werke wie
eine Monstranz vor sich her tragen, um damit zu beweisen, wie schlecht die andern
sind, sondern die Menschen, denen das Menschliche selbstverständlich ist, weil
sie es als das Natürliche empfinden. Sie sind sich keiner besonderen Guttaten
bewusst, sie versuchen nur ganz einfach, Stimmigkeit und Würde zu wahren.
Sie könnten auch auf das große Lob verzichten; sie sind demütig genug. Aber gerade
darin liegt der größte und endgültige Triumph der wahren Menschlichkeit: Dass eben
dieses schlicht Natürliche, das sonst so überaus häufig weder Dank noch Anerkennung
findet, die ganze Fülle ehrlicher Ermutigung erfährt, die am allerstärksten,
allerüberzeugendsten durch den wahren Menschenkönig selbst, den Messias,
ausgesprochen und aller Welt kund wird. Das ist für die Demütigen, die unter
der Gewaltherrschaft der Unmenschlichkeit immer auch zu den Gedemütigten
zählen, der Himmel auf Erden.
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