Vorletzter Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Das letzte Gericht
Wochenspruch: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“ 2. Korinther 5,10



Sonntag: Matthäus 25,31-46  Evangelium

Das ist ein metaphorischer Text so wie alle Texte, die von Geschehnissen auf der Grenze zur Ewigkeit reden. Metaphorisch ist er, weil die Ewigkeit hier als ein Zeitraum erscheint, als gäbe es eine jenseitige Existenz, in der sich die diesseitge fortsetzt. Aber das wäre gar nicht Ewigkeit, sondern nur Diesseitigkeit unter anderen Umständen. Somit ist auch unser Reden vom „Leben nach dem Tod“ metaphorisch. Wir projizieren die Daseinsbedingungen unseres Lebens im Diesseits auf das Jenseits. Wir können nicht anders als in Bildern von der Ewigkeit reden, weil wir sie nicht denken können.

Man muss sich die Ankunft des Menschensohns also nicht wie in einem Monumentalfilm als bombastischen Durchbruch aus dem Himmel auf die Erde vorstellen, als würde sich da der Pantokrator mit seinem unendlich großen Heer von sonderbaren Engelwesen, die wie er selbst nun für alle Welt sichtbar sind, in seinem auserkorenen Regierungssitz auf dem Globus niederlassen und per Dekret alle Völker zum großen Showdown einbefehlen. Man mag es tun, wenn es den Glauben stärkt, aber man muss es nicht. Doch gilt es auf die Prophetie dieses Textes zu hören: Es wird eine endgültige, letzte Scheidung geben zwischen dem wahrhaft Menschlichen und dem teuflisch Unmenschlichen. Es wird eine weltumspannende Klärung geben, eine kompromisslose Ausscheidung des Bösen. Es wird ihm nicht mehr erlaubt sein, Herrschaft zu gewinnen und sich auszubreiten.

Statt „Engel“ übersetzt man hier vielleicht besser „Boten“, was vom Wort her auch gut möglich ist. Die Boten des Menschensohns, die Boten der wahren Menschlichkeit, werden diese Klärung herbeiführen und sie festigen. Sie werden denen beistehen, in denen sich das Böse regt und die darunter leiden, so dass es nicht mehr in ihnen zur Entfaltung kommt wie zuvor, als sie viel zu oft damit allein gelassen waren und ihm erlagen. Hingegen wird es für die Boten des Bösen wie für das Böse selbst auf dem ganzen Erdball keinen Platz mehr geben. Das Böse wird völlig überwunden.

Dementsprechend besteht das einzige Kriterium dieses „letzten Gerichts“ in der Frage nach der Menschlichkeit. Die „Gesegneten des Vaters, die das Reich ererben,“ das ihnen „bereitet ist von Anbeginn der Welt“, das sind sehr schlicht und einfach die menschlichen Menschen, nicht die Moralisten, die ihre ach so guten Werke wie eine Monstranz vor sich her tragen, um damit zu beweisen, wie schlecht die andern sind, sondern die Menschen, denen das Menschliche selbstverständlich ist, weil sie es als das Natürliche empfinden. Sie sind sich keiner besonderen Guttaten bewusst, sie versuchen nur ganz einfach, Stimmigkeit und Würde zu wahren.

Sie könnten auch auf das große Lob verzichten; sie sind demütig genug. Aber gerade darin liegt der größte und endgültige Triumph der wahren Menschlichkeit: Dass eben dieses schlicht Natürliche, das sonst so überaus häufig weder Dank noch Anerkennung findet, die ganze Fülle ehrlicher Ermutigung erfährt, die am allerstärksten, allerüberzeugendsten durch den wahren Menschenkönig selbst, den Messias, ausgesprochen und aller Welt kund wird. Das ist für die Demütigen, die unter der Gewaltherrschaft der Unmenschlichkeit immer auch zu den Gedemütigten zählen, der Himmel auf Erden.



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