Vorletzter Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Das letzte Gericht
Wochenspruch: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“ 2. Korinther 5,10



Dienstag: Lukas 16,1-9

Dieser Verwalter ist das Gegenstück zum reichen Kornbauern. Beide treffen Vorsorge. Der reiche Kornbauer macht es dumm, dieser Verwalter macht es klug. Die Vorsorge des Kornbauern besteht im geizigen Raffen, die des Verwalters in großzügigem Austeilen. Der Kornbauer setzt auf soziale Abgrenzung und Egoismus, der Verwalter auf Beziehungspflege und Altruismus.

Der Verwalter repräsentiert alles andere als die reine, erhabene Selbstlosigkeit und auch der Glaubende, für den die Geschichte allerdings nicht Vorbild, sondern lediglich Fingerzeig sein soll, entscheidet sich nicht allein um des Mitmenschen willen zur Großzügigkeit, sondern auch um seiner selbst willen. Klug ist demnach auch in der christlichen Gemeinde das Prinzip des Gebens und Nehmens. Aber gefördert wird dieses Prinzip nur durch einseitige Großzügigkeit. Wer sie erfährt, ist ermutigt, sich auch selbst so zu verhalten. Wer aber dauernd nur auf Abgrenzungen stößt, ist geneigt, sich auch selbst zu verschließen.

Jesus stellt fest, dass sich die „Kinder des Lichts“ in dieser Hinsicht insgesamt ziemlich unklug verhalten. Das ist eine prophetische Erkenntnis, die er wahrscheinlich besonders aus der Beobachtung seiner zwölf Jünger gewonnen hat. Bereits unter ihnen gab es beträchtliche Rivalitäten. Die Geschichte der christlichen Kirche bis heute ist danach ganz überwiegend durch Abgrenzungsverhalten gekennzeichnet. Der reiche Kornbauer kann geradezu als Prototyp der Kirchenmacht betrachtet werden. Das Geben und Nehmen des klugen Verwalters scheint in der Kirchengeschichte kaum eine Rolle zu spielen, jedenfalls dort nicht, wo die Macht konzentriert war und ist. Habsucht ist eine Wurzel allen Übels. Auch und besonders in der Kirche.

In einer reichen, mächtigen, wohl-habenden Kirche kann sich Gottes Reich des Gebens und Nehmens nur sehr schwer etablieren; leichter ist es, dass Kamele durch Nadelöhre gelangen, und ein Wunder ist es, wenn sich dennoch das Grundprinzip Christi, dass einer die Last des anderen trägt, unter Christen glaubwürdig ereignet. Die nicht-christliche Welt scheint besser zu verstehen, was es bedeutet, wenn einer den andern braucht.



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