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Mittwoch:
Römer 7,14-25
Es ist eigentlich erstaunlich, dass gerade dieser Text so gern als Beweis dafür angesehen wird,
dass der Mensch im Kern seines Herzens böse ist, denn er sagt das Gegenteil. „Ich habe Lust
an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen“. Für Paulus ist das in diesem Fall eine
anthropologische Grundaussage, weil er im Römerbrief seine Fundamentaltheologie entfaltet
und alle Bezeugungen eigener Erfahrung, die er hineinwebt, dort dem Ziel grundlegender,
allgemein gültiger theologischer Aussagen dienen. Mit anderen Worten: Dass da einer
„Lust hat an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen“ hat, ist nicht nur von Paulus
und seinesgleichen ausgesagt, sondern von den Menschen schlechthin. Der klare Beleg
dafür findet sich in Kapitel 2 dieses Briefs, wo Paulus, grundlegend für seine
zentralen Ausführungen über die Rechtfertigung, darlegt: Sowohl Juden als auch
Nichtjuden verfügen über das Gesetz, der Unterschied liegt nur darin, dass die
Juden es auch noch in Form der Tora schriftlich haben, während es allen andern
„nur“ ins Herz geschrieben ist, so deutlich allerdings, dass niemand zu Recht
behaupten kann, er habe keinen Maßstab zur Beurteilung seines tatsächlichen
Verhaltens. Doch, wir haben ihn: Er ist uns ins Herz gelegt, und wenn wir auf
diese erinnernde Stimme in uns hören, dann erkennen wir, dass sie zutiefst
unserem Wesen und unseren Bedürfnissen entspricht: Wir haben Lust daran.
Logisch entspricht dem ein Zweites in diesem Text, das genauso wichtig ist
und das genauso häufig fehlinterpretiert wird, was wieder erstaunlich ist,
weil Paulus so klare Worte dafür findet: Die Macht der Sünde ist uns
wesensfremd. Wir erfahren, dass wir nicht tun, was wir eigentlich wollen!
Unser Wille, wenn wir nur ehrlich genug danach fragen, ist wirklich gut!
„Wenn ich aber tue, was ich nicht will, so tue nicht ich es, sondern die
Sünde, die in mir wohnt.“ Sünde ist also immer irgendeine Art von
Versklavung gegen unseren eigenen Willen. Die Sünde ist das Böse,
nicht der Mensch, den sie versklavt!
Dass es heute fast unmöglich erscheint, von Sünde ohne demütigenden, abwertenden
Beiklang zu reden, ist die Folge der langen, falschen theologischen Tradition,
aus der Not der Versklavung eine moralische Entwertung des Menschen zu machen,
der versklavt ist. Aus der anthropologischen Grunderfahrung, dass wir das
Gute wollen, uns aber so grausam schwer damit tun, es zu verwirklichen, weil
eine Macht, die uns wesensfremd ist, dagegen ist, wurde das Pauschalurteil,
dass jeder Mensch, dem es so geht, böse ist, das Böse liebt, das Gute hasst.
Das ist nichts anderes als die Verteufelung des Menschen. Paulus hätte
sich diesen Schuh nicht angezogen: „Du behauptest, dass ich das Gute gar
nicht will? Von wegen - und ob ich es will!“
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