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Sonntag:
Matthäus 5,38-48
Evangelium
Die Aufforderung, dem „Übel“ nicht zu widerstehen, ist missverständlich übersetzt. Das
griechische Wort für „widerstehen“, das hier verwendet wird, meint in diesem Zusammenhang
militante Gegenmaßnahmen nach dem Motto „Wie du mir, so ich dir“. Außerdem steht hier
nicht „Übel“, sondern „Böses“. Falsch verstanden bedeutet Verzicht auf Widerstand gegen
das Böse zwangsläufig, dem Bösen das Feld zu überlassen. Natürlich kann das hier nicht
gemeint sein. Es geht um das Handeln aus Rache, dieses böse Grundprinzip der Eskalation:
Ich nehme mir das Recht heraus, dir Böses zu tun, weil du mir Böses getan hast. Dem
setzt Jesus entgegen: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern
Schuldigern.“
Jesus zitiert in diesem Abschnitt der Bergpredigt pharisäische Doktrinen, die
sinnverzerrend in Bibelsprüche verpackt waren. „Auge um Auge, Zahn um Zahn“
ist eigentlich ein rein juristischer Grundsatz, der gerade dazu gegeben ist,
dem bösen Trieb zur Selbstjustiz zu wehren. Das ist der vernünftige Anspruch
auf gerechten Ausgleich, wo das möglich ist. Aber der Pharisäismus machte
daraus eine Rechtfertigung der selbstgerechten Rache.
Wenn nicht Rache, was dann? Das, was deeskaliert. Friedenspolitik statt
Kriegspolitik. Harter, kompromissloser Widerstand gegen das Böse, vergleichbar
mit dem Widerstand von Küstenbewohnern gegen Sturmfluten: starke Deiche dagegen.
Aber keine Rache, sondern Nutzen jeder Möglichkeit, Vertrauen zu bauen und
Frieden zu erwirken.
Die Beispiele dieses Textes haben ein Gefälle von brutalem Unrecht über
unbarmherzige Rechtsforderungen bis zu Bitten. Das ist durchaus nicht
alles böse. Es geht Jesus aber darum, dass wir in allem, was in uns den
Eindruck entstehen lassen kann, zu kurz zu kommen, die innere Freiheit
bewahren, indem wir uns dadurch nicht einengen lassen, sondern großmütig
und darum auch großzügig reagieren. Darin bewahren wir unsere Würde. Das
kommt am stärksten in der Aufforderung zum Ausdruck, die andere Wange
hinzuhalten. Das ist die Reinform des passiven Widerstands: wahre
Tapferkeit, wahre Würde im demonstrativen Stehenbleiben, selbstsicherer
Protest zwischen den entwürdigenden Versuchungen des Nachgebens und
Zurückschlagens.
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