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Freitag:
Epheser 4,1-7
Die Berufung ist kein Amt, das ich auch dann noch einigermaßen ausüben kann, wenn ich mich
in vieler Hinsicht seiner unwürdig verhalte, sondern sie erfüllt sich nur, indem ich ihr
gerecht werde, nur also in Authentizität, in Wahrhaftigkeit. Analog zu den Worten Jesu
in der Bergpredigt sagt auch dieser Text, dass es keine Alternative zur aktiv gelebten
Einheit für das christliche Leben gibt. Im Mittelpunkt dieser dominierenden Haltung
steht die Toleranz: Einander ertragen. Das Minimum der berufungsgemäßen Einstellung
eines Christen besteht darin, die Glaubensidentität des Andern zu achten, auch dort,
wo sie uns völlig fremd erscheint und widerstrebt. Das geht nur auf der dogmatischen
Grundlage, dass Christsein ein sehr weit zu fassender Begriff ist, der auf die hier
genannten Merkmale reduziert werden kann: Jesus Christus als Herrn zu bekennen,
an ihn und den Vater zu glauben und getauft zu sein. Da der Inhalt unseres
Glaubens letztlich Herzenssache ist, da sich also die Äußerungen über den
Glauben sehr von seinem wahren Wesen unterscheiden und missverstanden werden
können, bleibt im Zweifelsfall als einzig greifbares Kriterium der
Zusammengehörigkeit im Glauben nur die Taufe, jeweils aktualisiert in
der Abendmahlsgemeinschaft: Niemand hat ein Recht, den Menschen, die
sich unter dem deutlichsten Zeichen der Gemeinschaft mit Jesus Christus
zur Gemeinde vereinen, ihre Glaubensidentität abzusprechen, denn das
wahre Motiv ihrer Teilnahme kennt nur Gott. Und all das gilt auch für
uns selbst, wenn wir am eigenen Glauben zweifeln!
Dieses Minimum kann aber immer nur der Anfang sein, die Startposition für die
Aktivität der Gemeinschaftsbildung. Für „einander ertragen“ steht in der
lateinischen Bibel „supportare“. Neudeutsch: Einander „Support“ geben. Das
Christentum verdient nur seinen Namen, wenn es sich erkennbar durch die
praktizierte Haltung gegenseitigen Unterstützens auszeichnet. Die Grundfrage
des christlichen Miteinanders über alle noch so großen Unterschiede hinaus
lautet: „Wie kann ich dir dienen?“ Diese schlichte Frage ist das einzig
legitime Leitmotiv der Berufung.
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