|
Donnerstag:
Johannes 9,35-41
Es genügt, wie das Kind in „Des Kaisers neue Kleider“ ganz ohne Argwohn auf logische
Unstimmigkeiten hinzuweisen, um als störender Quertreiber identifiziert zu werden.
Wer sich nicht anpasst, gehört nicht dazu. So funktionieren die geschlossenen Systeme
der Frömmigkeit - alle, auch die fortschrittlichsten.
Jesus findet den Ausgestoßenen, dessen körperliche Heilung von der angeborenen
Blindheit nur der Beginn des Sehen-Lernens war. Jesus findet ihn, damit ihm
nun auch die Augen der Seele aufgehen. Wer an den Menschensohn glaubt, der sieht.
Wohl gemerkt: Nicht an den Gottessohn, sondern an den Menschensohn. Aber der
Blindgeborene versteht „Gottessohn“. So ist auch seine Reaktion: Er betet den
Menschen Jesus an. Er sieht schon ein bisschen Menschlichkeit, aber die ist
noch ganz in den Nimbus des göttlichen Zaubers gehüllt. Was für eine Sternstunde:
Der göttliche Wunderheiler höchstselbst hat ihn nicht nur gesund gemacht,
sondern nun auch noch persönlich angesprochen. Das nennt man Starkult.
Jesus hat Geduld. Dass er ihn gefunden hat, darauf kommt es an. Alle Jünger brauchen
einen langen Weg, um Jesus zu verstehen.
In der Glaubensbeziehung zu Jesus leben heißt Sehen lernen. Das sondert ab von
denen, die ihre Augen verschließen. Nicht generell von denen, die nicht sehen,
aber von denen, die nicht sehen wollen, weil sie sich einbilden, Wissende zu
sein. Das sind die Menschen, die nichts zu lernen haben, aber stets meinen,
belehren zu müssen. Das sind die Besserwisser.
|
|