15. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Die Sorge bewältigen
Wochenspruch: „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ 1. Petrus 5,7



Inhaltliche Zusammenfassung

Wir vertrauen Gott, wenn wir ihm unsere Sorgen wirklich und ganz überlassen. Wie er dann für uns sorgt, ist seine Sache, aber dass er es tut, ist versprochen. Darum dürfen und sollen wir unsere ganze Aufmerksamkeit darauf richten, der Rückkehr unserer Sorgen keinen Raum zu geben. Das geht nur, wenn wir kompromisslos die Sorglosigkeit pflegen (Wochenspruch 1Pt 5,7).

Die Sorglosigkeit ist Freiheit zu Verantwortung. Als Menschen sind wir berufen zur Liebe. Der Geist der Sorge hindert uns daran, weil er dem Eigenen statt der Liebe die Priorität gibt. Die verantwortliche Liebe findet sich weder im Gestern noch im Morgen, sondern immer nur hier und jetzt. Leben in Sorglosigkeit ist Leben in der Gegenwärtigkeit, und als solches ist es Leben in froher Dankbarkeit für die guten Möglichkeiten dieses heutigen Tages, vollkommen unabhängig von den Umständen (Evangelium Mt 6,25-34).

Die wahre Herausforderung der Sorge ist die Herausforderung des Leidens. Die Sorglosigkeit verwirklicht sich unter dem Druck des Leidens und wird stark darunter. Das meint Jesus, wenn er davon spricht, dass wir das Leben nur finden, wenn wir wie er selbst unser Kreuz auf uns nehmen. Aber das Kreuz ist kein Selbstzweck. Die Leidenswege sind dunkle Täler, in denen uns die Fürsorge Gottes ebenso zugesagt wird wie dort, wohin sie münden. Sie münden nicht in immer noch größere Dunkelheit. Es gibt Licht am Ende des Tunnels. Dort ernten wir den Lohn der Geduld (1Pt 5,5-11).

Es soll in Jerusalem ein enges Tor mit dem Namen „Nadelöhr“ gegeben haben, in dem schwer bepackte Kamele hängen blieben. Darum sagt Jesus, dass es leichter für ein Kamel ist, durch ein Nadelöhr zu gelangen, wie für einen Wohlhabenden, in Gottes Reich zu kommen. Das Nadelöhr ist die „enge Pforte“ (Mt 7,13). Unsere engen Pforten sind unsere Leidenserfahrungen. Sie nötigen uns zur Entscheidung, entweder an unseren Sorgen festzuhalten oder sie wirklich und ganz loszulassen, um uns der Fürsorge Gottes anzuvertrauen. Auch der „reiche Jüngling“ leidet, weil er die Sinnlosigkeit seines Raffens empfindet: Er lebt am Leben vorbei. Nachfolge Christi steht im Gegensatz dazu. Sie vollzieht sich in der immer neuen Entscheidung des kompromisslosen Loslassens (Lk 18,28-30).

Die Verantwortlichkeit der Sorglosigkeit erweist sich darin, dass wir uns auch in Bezug auf das Verhältnis zu unseren Mitmenschen keine falschen Sorgen machen. Falsche Sorgen sind die Sorgen des misstrauischen Achtens auf den eigenen Vorteil. Sie motivieren uns zu Neid, Eifersucht, Argwohn und Arroganz. Wir denken nicht für den andern, sondern gegen ihn. Wir nehmen ihn nicht dankbar als notwendige Ergänzung an, sondern finden ihn bedrohlich. Wir igeln uns ein, schotten uns ab und halten ihn auf Distanz. Auch wenn wir Christen sind, verschont uns Gott nicht vor den Folgen solchen Verhaltens. Wir sind füreinander da. Wenn wir uns diesem Grundprinzip gelingenden Lebens verweigern, säen wir Tod in die Furchen unserer Beziehungen (Gal 5,25-6,10).

Das sorglose Vertrauen ist kein Besitz, über den man verfügen kann. Es ist immer auf die jeweilige Situation bezogen. In den schlichten Entscheidungen zugunsten der Liebe im Alltag liegt das Senfkornpotenzial des Glaubens, der Berge versetzt. Auch für den Glauben gilt das Sorglosigkeitsprinzip des Nicht-Habens. Der Glaube verdirbt , wenn wir ihn als unsere Habe ansehen. Dann missbrauchen wir ihn, um uns damit als bessere und erleuchtetere Menschen von anderen abzugrenzen und auf die „Ungläubigen“ herabzusehen. Aber der sorglos Glaubende hält sich selbst eher für weniger wichtig als die andern und hat kein Interesse daran, ein Gutmensch zu sein (Lk 17,5-6).

Sorglosigkeit ist Rückkehr zur Natürlichkeit. Natürlich lebt ein Wesen, wenn es sich lebensfroh im vorgegebenen Rahmen seiner natürlichen Möglichkeiten und Grenzen entfaltet. Natürlich lebt der Mensch nur als menschlicher Mensch. Die Unnatürlichkeit entfremdet uns der Menschlichkeit und je weiter die Entfremdung fortschreitet, desto unmenschlicher werden wir. Der Geist der Sorge nimmt uns in Beschlag, wenn wir uns Über-Natürlichkeit anmaßen. Das ist die Urversuchung: Sich einzubilden, göttlich zu sein (Gen 2,4-15).

Vorschläge zur Vertiefung
  • „Alle eure Sorge werft auf ihn!“: Wie machen Sie das? Wie kann das gelingen?
  • „Freut euch allezeit und unter allen Umständen!“ Dazu fordert uns das Neue Testament immer wieder auf. Meditieren Sie diesen Gedanken. Achten Sie dabei auf Ihre Einwände, Ihren Widerstand, aber auch auf Ihre Sehnsucht. Lassen Sie den Gedanken einfach auf sich wirken und beobachten Sie, was daraus wird.
  • Bewegen Sie den Gedanken, dass auch die Seel-Sorge eine Sorge ist. Was für eine? Was bedeutet das für Theorie und Praxis der Seelsorge?



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