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Sonntag:
Lukas 10,25-37 Evangelium
Jesus wendet die Abgrenzungsfrage „Wer ist denn mein Nächster?“ um in die Barmherzigkeitsfrage:
„Wem sollst du liebender Nächster sein?“ Das heißt: „Wer braucht dich jetzt vor allem?“
Nicht das richtige Tun findet Gottes Anerkennung und Lohn, sondern das passende Tun.
Wenn das richtige Tun das aktuelle Gebot der Liebe um der Richtigkeit willen ignoriert,
ist es falsch. Wer das Passende tut, der exponiert sich, geht ein Risiko ein. Wer es
durch Richtigkeiten ersetzt, sichert sich ab, um den Preis der Unbarmherzigkeit. Die
gelebte Barmherzigkeit ist stets eine mutige Grenzüberschreitung. Barmherzigkeit ist
stets ein Handeln, gegen das es gute Gründe gibt, denn sie findet nur dort statt, wo
die eigene Sicherheit verlassen wird. Wenn die Abgrenzungsfrage umgekehrt wird, dann
wandelt sich die Sicherung zur Öffnung. Ich lasse mich in Beschlag nehmen von dem,
was der andere braucht. Ich gebe ihm, was ich ihm geben kann, weil er es braucht.
Ich schenke her und verleugne mich selbst dabei, um mich selbst zu vergessen. Ich
kann nicht gleichzeitig Eigenansprüche stellen und barmherzig sein. Es ist wie bei
einem Kippbild: Entweder sehe ich den anderen oder ich sehe mich. Darin liegt das
Risiko: Um des Nächsten willen die eigene Absicherung loszulassen.
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