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Mittwoch:
Genesis 4,1-16
Das Urteil, von Gott nicht gerecht behandelt zu werden, ist eins mit dem Urteil, dass Gott
andere zu Unrecht bevorzugt. Wer in diesem Urteil verharrt, sündigt. Die Sünde ist die aus
dem Beharren auf dem Urteil hervorgehende böse Tat. Böse ist das, was Schaden zufügt dort,
wo für den Handelnden eine bessere Lösung zur Verfügung gestanden hätte, wenn er seinem
richtenden Urteil nicht gefolgt wäre. Sünde ist das Resultat der Wahl eines destruktiven
Verhaltens angesichts einer konstruktiveren Alternative. Die konstruktivere Alternative
hätte sich aufgetan, wenn Kain Gottes Stimme in der Stimme seiner eigenen Vernunft
wahrgenommen hätte: die Stimme seines vernünftigen Gewissens. Nur das vernünftige
Gewissen findet zur konstruktiveren Lösung, das kranke Gewissen verurteilt sich
selbst und entzieht sich auf diese Weise ebenso der Konstruktivität.
Kain hat entsetzliches Leid in die Welt gebracht. Er kann sich nicht mehr zuhause
fühlen auf dem Boden, den er bebaute. Das Blut seines Bruders klagt ihn an. Der
Verlust seiner behaglichen Ruhe ist die logische Konsequenz aus seinem Verhalten.
Kain hat aber keinen Anlass, sich selbst zu verurteilen, denn er bleibt gewolltes
und zum Guten bestimmtes Geschöpf Gottes. Dieser straft ihn auch nicht noch
zusätzlich, denn er hat keinen Anlass, zum geschehenen Schaden noch weiteren
zu fügen.
Aber die Spirale des Bösen ist schon im Gang, das zerstörerische Wechselspiel
des Richtens und Rächens hat begonnen. Der nächste Kain lauert schon, um
selbstgerecht über den ersten zu triumphieren. Kain hat den Frieden zerstört
und den Krieg angefangen, und nun wird das Böse immer neuen Anlass in den
Herzen der Menschen finden, um sich selbst zu rechtfertigen und zu vergrößern.
In der Tat, das ist zu schwer, als dass er es tragen könnte. Es ist zu schwer,
als dass es die Menschheit tragen könnte. Aber Gott hat sein Kreuzzeichen
auf Kains Stirn gegeben, das Zeichen dafür, dass die Spirale nicht zur
Totalherrschaft des Bösen führen wird. Es gibt Hoffnung für die
Menschlichkeit.
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