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11. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Pharisäismus und Gnade
Wochenspruch: „Gott widersteht den Hochmütigen,
aber den Demütigen gibt er Gnade.“ 1. Petrus 5,5 |
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Donnerstag:
Lukas 7,36-50
Dass der „Sünderin“ zehn mal mehr Sünden vergeben werden als dem Pharisäer, sagt nichts über
das objektive Maß, sondern es bezieht sich auf die subjektive Empfindung des Scheiterns, bei
der sich der Pharisäer und die Prostituierte sehr unterscheiden. Sie weiß sehr genau, was
schief gelaufen ist, während er fast alles im Griff hat. Und über das, was fehlt, geht er
hinweg, wie zum Beispiel Grundregeln der Gastfreundschaft dem sogenannten Rabbi Jesus
gegenüber zu vernachlässigen: Man ist ja auch nur ein Mensch und kann nicht immer souverän
bleiben. Aber genau hier, in der Verachtung nämlich, liegt sein wahres Problem. Das ist
sein blinder Fleck, seine unreflektierte Sünde, die viel schwerer wiegt als die
resignierte Anpassung dieser Frau an das System, in dem sie lebt.
Dass sie sich so verhält, überaus mutig auf ihre Art, kann nur darauf zurückzuführen
sein, dass sie Jesus zuvor in ähnlicher Weise begegnete wie Zachäus und alle anderen
„Zöllner und Sünder“, die völlig überrascht und überwältigt waren von der
bedingungslosen Akzeptanz und Wertschätzung, die sie durch Jesus erfuhren.
Was Jesus ihr zuletzt zuspricht, ist bereits durch sein Verhalten geschehen:
Er sieht nicht die Verfehlung, sondern den Menschen in seiner Not, er richtet
nicht, er versteht, lässt sich betreffen, leidet mit. So stehen sich in dieser
Geschichte religiös begründete Menschenverachtung und Liebe gegenüber. Der
achtungsvolle Umgang Jesu mit der „Sünderin“ kommt als wahre Liebe bei ihr
an und bringt ihr Herz in Schwingung. Ihr Verhalten ist Resonanz der Liebe,
die sie empfangen hat. So und nur so ist das Reich Gottes.
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