4. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Die Gemeinschaft der Sünder
Wochenspruch: „Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Galater 6,2



Montag: Römer 14,10-13

Wer den Andern richtet, maßt sich etwas an, das nur dem Andern selbst zusteht. Richten ist eine Form von Entmündigung. Wer richtet, tut so, als wüsste er besser Bescheid über die Rechtsverhältnisse im Leben eines Andern als dieser selbst.

Das Richten, dem Paulus widerspricht, ist ein verachtendes Richten. Es gibt auch ein achtendes und achtsames Richten. Solches Richten macht einen klaren Unterschied zwischen Wert und Würde der Person und ihrem Verhalten. Jede wirklich konstruktive Kritik ist solch ein Richten, wie auch jede faire Rechtsprechung der Justiz. Da wird nicht über die Person selbst und ihre tiefsten Beweggründe gerichtet, ob sie schlecht und böse ist oder nicht, sondern allein über das, was sie getan hat, und dieses Richten kommt nicht aus der Arroganz des Besserwissens, sondern es hat helfenden Sinn; es stutzt nicht zurecht, es hilft zurecht.

Zweifellos müssen solche Urteile mitunter sehr hart sein, auch in ihren Konsequenzen, wenn der Täter sein Fehlverhalten nicht einsieht und sich selbst, vor allem aber auch seiner Umwelt, selbstgerecht immer weiter Schaden zufügt. Der menschenverachtende Richtgeist des Entwürdigens und Entwertens selbst braucht ein hartes Gericht.

Darauf den Sinn zu richten, „dass niemand seinem (Menschen-)Bruder einen Anstoß oder Ärgernis bereite“, ist die Norm für alle Kritik. Konstruktive Kritik bedeutet unter allen Umständen, zurechthelfend so klar wie möglich erkannte Wahrheit zu vermitteln, ohne „Anstoß oder Ärgernis zu bereiten“. Es kommt also entscheidend nicht nur darauf an, was ich sage, sondern auch darauf, wie ich es sage.

Der Verzicht auf die Anmaßung macht uns frei, zu uns selbst zu kommen. Solange wir die Andern für die Bösen halten und uns selbst für die schwachen guten Opfer oder die starken guten Richter, bleiben wir auf sie fixiert und können uns nicht um den „Balken im eigenen Auge“ kümmern. In dem Maß, wie wir aber die Andern als Personen akzeptieren und einen klaren Unterschied zwischen ihrem Verhalten und ihnen selbst machen, können wir uns in derselben freundlichen und fairen Haltung auch selbst so begegnen und verstehen. Wir können die Gründe unseres Verhaltens nachvolllziehen und uns sinnvoll korrigieren, ohne uns selbst als schlechte Menschen zu verurteilen.



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