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1. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Das Fundament des Glaubens
Wochenspruch: „Wer euch hört, der hört mich;
und wer euch verachtet, der verachtet mich.“ Lukas 10,16 |
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Freitag:
Deuteronomium 6,4-9
Hören und zu Herzen nehmen, ungeteilten Herzens lieben und sich beständig an das erinnern,
was des Liebens wert ist: Das ist die Praxis des Glaubens der Juden wie der Christen.
Sie ist Praxis des Hörens, der ungeteilten Aufmerksamkeit, Praxis der Liebe. Das ist
nicht Martas, sondern Marias Praxis. Es ist die Praxis der Theorie. Theorie heißt
„Betrachtung“: Ich schaue mir in Ruhe etwas an und gewinne eine Vorstellung davon.
Wir nehmen nur sehr begrenzt wahr, wenn wir nicht betrachten. Wir sind in der Lage,
vor Bildern zu stehen und sie anzustarren und doch nichts zu sehen, weil wir sie nicht
betrachten. Wer betrachtet, gewinnt einen Eindruck. Der Eindruck entsteht dadurch,
dass wir uns beeindrucken lassen. Wir interpretieren nicht, wir machen uns keine
Gedanken, wir sorgen uns nicht, wir schauen schlicht und unbekümmert. So ist es
auch mit Musik und Worten: Wir interpretieren nicht, wir hören einfach nur.
Wir hören so, als hätten wir das, was wir hören, noch nie gehört. Und so ist
es ja auch: Jeder Eindruck ist ein neuer Eindruck.
Natürlich haben wir das Bedürfnis, unsere Eindrücke einzuordnen,
einzufügen in den Vorrat der Erinnerungen, an den Ort, der ihnen
zusteht. So erst entsteht die ganze Theorie. Sie ist in das
Bewusstsein integrierte Vorstellung. So lernen wir. Wir
fügen den neuen Eindruck unseren Erinnerungen bei und
erweitern sie dadurch. Wir erweitern unser Wissen.
Entscheidend ist aber, wie weit wir in der Lage sind,
das Einsortieren um des Eindrucks willen zurückzustellen.
Man kann auch sagen: Wie weit wir in der Lage sind, zu
staunen und uns zu wundern. Anders offenbart sich uns
nichts Wunderbares. Anders erleben wir kein echtes Wunder.
Anders entsteht keine Bewunderung in uns. Anders können
wir Gott nicht von ganzem Herzen lieben.
Jede gute Theorie ist ein Verstehen, und Verstehen ist immer
mehr als Erklären. Nur aus dem Verstehen geht das angemessene
Handeln hervor. Dieses verstehende Hören ist das eine, das not tut.
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