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Trinitatis
Leitmotiv: Der Dreieinige Gott
Wochenspruch: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth;
alle Lande sind seiner Ehre voll.“ Jesaja 6,3 |
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Samstag: Wochenspruch
Der Vers ist Teil der Berufungsgeschichte Jesajas. Sie ist für ihn alles
andere als eine beglückende Erfahrung. Diesen dreimal heiligen Gott erlebt
Jesaja sehr lebensbedrohlich. Als die mächtige Stimme fragt „Wen soll ich
senden?“ und er antwortet: „Herr, sende mich“, liest sich das gar nicht
wie begeisterte Hingabe, sondern wie eine Beschlagnahmung, die zu verweigern
wohl sehr ernste Folgen für Jesaja hätte.
Andere Prophetengeschichten des Alten Testaments sind ähnlich. Dem
entsprechen auch viele ihrer Prophetien, wie auch einige ihrer
Zeichenhandlungen und ihr politisches Auftreten. Sie bezeugen
durchaus nicht durchgängig den absolut barmherzigen Liebegott,
sondern in vielen Zügen ein sehr beängstigendes Gottesbild.
Das prägt nicht nur große Teile des prophetischen Schrifttums,
sondern es zieht sich durch das gesamte Alte Testament.
Wir verstehen das Alte Testament nur richtig, wenn wir ernst nehmen,
dass die Ausgestaltung des Gottesbildes in der Geschichte Israels ein
sehr langer und spannungsvoller Prozess ist. Es scheint so, dass er
sich auch noch ins Neue Testament hinein erstreckt und es sieht nicht
so aus, als gäbe es irgendwo einen benennbaren Abschluss; die großen
Konzile der frühen Christenheit haben zwar dogmatisch Grundlegendes
geklärt und den Kanon der gesamten Bibel aus christlicher Sicht
bestimmt, aber bei diesen Beschlüssen handelte es sich um
theologische Entscheidungen, die von den Mächtigeren durchgesetzt
wurden, was keineswegs heißen muss, dass die damals ausgegrenzten
Theologien Irrlehren waren.
Schon im Neuen Testament selbst kann eine deutliche Spannung zwischen
der Akzentuierung des Angstgottes und dem Evangelium vom Liebegott
nicht geleugnet werden, wenn auch die Theologie der Liebe dort
stark und überzeugend dominiert. In der christlichen
Auslegungsgeschichte setzt sich die Spannung auf zwei Weisen
fort: Einerseits als psychologische Spannung zwischen
Lebensbedingungen und Glaubenserfahrungen, die in starkem
Widerspruch zum Evangelium des Liebegottes stehen; in
dieser Spannung erfährt sich existenziell jeder Mensch;
zu oft erscheint Gott uns fremd und zornig: Wir befinden
uns im ständigen Ringen um das Vertrauen zum Liebegott im
Gegensatz zur ständigen Neigung, dieses Vertrauen als
Unzumutbarkeit zu empfinden. Andererseits als dogmatischer
Versuch, Angstgott und Liebegott in Übereinstimmung zu bringen,
sich also einen Reim aus der Unvereinbarkeit der existenziellen
Angst vor Gott und dem Liebesverhältnis in vollkommenem
Vertrauen zu ihm zu machen. Das gelingt so wenig wie die
Quadratur des Kreises.
Das Ringen um die zutreffende Gottesvorstellung setzt sich also fort,
psychologisch in uns selbst und dogmatisch in der Theologie. Eins
hat sich über die Jahrtausende aber hoffungsvoll herausgestellt:
Der persönliche Friede wie auch der theologische Fortschritt wird
immer dort gefunden, wo noch deutlicher, noch klarer und noch
getroster als bisher bezeugt, ergriffen, gelehrt und gelebt wird,
dass Gott die Liebe ist und sonst nichts.
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