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Trinitatis
Leitmotiv: Der Dreieinige Gott
Wochenspruch: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth;
alle Lande sind seiner Ehre voll.“ Jesaja 6,3 |
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Mittwoch:
Epheser 1,3-14
Dieser Abschnitt liest sich wie die Beschreibung eines Kunstkritikers,
der ergriffen vor einer gewaltigen Kathedrale steht und ihre Vollkommenheit
preist. Er sieht nicht alles aus seiner Position, aber er sieht genug,
um zu verstehen, dass hier wirklich nichts fehlt; alle Teile des Gebäudes
fügen sich zu einem perfekt harmonischen Ganzen zusammen, und dieses
Ganze weist wiederum über sich hinaus auf die Vollkommenheit seines
Schöpfers. Es ist dasselbe Staunen wie in den letzten Versen von Rö 11
(Text vom Montag). Wenn der Betrachter um die Kathedrale herum geht,
offenbaren sich immer wieder andere Aspekte derselben Vollkommenheit.
Alles ist schön, wahr und gut, nicht aber in billiger Gleichgestalt,
sondern in dialektischer Tiefe, was bedeutet: Alle echte Schönheit,
Wahrheit und Güte erscheint uns nur in einem Spannungsverhältnis,
das uns selbst in Spannung versetzt, was daran liegt, dass sich das
echte Schöne, Wahre und Gute nur in Freiheit offenbart: Dieser
universale Bau der Ordnungen Gottes, den der Text mit einigen
wenigen Worten skizziert, schon an der Grenze des Unaussprechlichen,
ist kein vorgestanztes Fertiges nach der Blaupause eines starr
verfügten göttlichen Plans, sondern er lebt, und Leben vollzieht
sich immer in Bewegung und darum immer in Gegensätzen: Da taucht
etwas auf wie aus dem Nichts und verschwindet wieder, um einem
ganz Anderen Platz zu machen. Leben ist Wechsel und Wechsel ist
Alternative: Ist dieses Andere denn das einzig Mögliche? Ist
es das Bessere? Es ist immer noch ein weiteres Anderes als
dieses Andere denkbar, und darin liegt der Gegensatz. Alles
Gesetzte, alles Gegebene, hat ein Gegen-Gesetztes, das ist
die Freiheit. Kreativität ist das mutige Ergreifen dieser
Freiheit durch die Entscheidung zur Verwirklichung einer
Möglichkeit unter mehreren, unter dem intuitiven Eindruck,
dass sie am besten passt.
Darum schließt dieser vollkommene kosmische Bau auch das Hässlichste
ein, indem er es versöhnt: Unsere Schuld. Gott, der Baumeister, lässt
sich die schöpferische Freiheit nicht nehmen, der Mensch kann sie ihm
nicht rauben, das Böse kann sich nicht durchsetzen, das Gute siegt.
Es siegt, weil Gott selbst den überzeugenden Gegensatz zu aller
Unmenschlichkeit schafft: Er übernimmt die Schuld und trägt sie
ganz. Dieser Satz, zentral für den christlichen Glauben, kann
und darf nicht unwidersprochen bleiben, darum ist das Wort vom
Kreuz notwendig ein Ärgernis. Es ist so billig und zynisch,
Auschwitz mit dem Hinweis auf das Leiden Jesu abzutun, aber
es ist geboten, sein Leiden nicht anders als im
Spannungsverhältnis zu Auschwitz zu betrachten. In der Tat:
Da hängt der König der Juden. Darin liegt die Spannung:
Wenn sein Leiden Sinn haben soll, dann muss auch Auschwitz
Sinn finden können.
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