|
Montag:
Kolosser 3,12-17
Sich etwas anzuziehen heißt sowohl sich in etwas hineinzubegeben als auch etwas in Anspruch zu
nehmen. Das, wo hinein ich mich begebe, steht schon zur Verfügung. Das Kleid mit dem wunderbaren
Stoff aus den Fasern Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld und
Vergebungsbereitschaft liegt schon fertig gewebt vor, ich muss es mir weder weben noch
nähen, ich muss es nur gebrauchen. Es ist auch kein Kleid wie „des Kaisers neue Kleider“,
das es nur als Illusion gibt.
Dieses Kleid besteht aus Untergewand und Obergewand: Über alles sollen wir die Liebe
ziehen. Für „Liebe“ ist hier das Wort „Agape“ gebraucht: die Liebe Gottes, die er
uns schenkt, die darum auch göttliche Liebe ist, nicht unsere eigene, sondern die
Liebe des Heiligen Geistes unserer Vertrauensbeziehung zum dreieinigen Gott.
Unterschied und Reihenfolge sind ernst zu nehmen. Der Stoff des Untergewands
mit jenen Fasern besteht aus der menschlichen Liebe „Philia“. Erst wenn wir
die Möglichkeiten unserer menschlichen Liebesfähigkeit allen Ernstes in
Anspruch nehmen, liegt auch das Obergewand der göttlichen Liebe für uns
bereit. Wenn wir diese Reihenfolge leugnen, dient uns der Glaube nur zur
Kompensation der eigenen Verantwortungslosigkeit: Wir delegieren unsere
eigene Verantwortung an Gott. Wir kompensieren unsere Lieblosigkeit durch
die Liebe Gottes. Aber so werden tatsächlich des Kaisers neue Kleider daraus,
denn die Liebe Gottes, in die wir uns hüllen, ist nur der Schein der frommen
Lüge, Heiligenschein der Scheinheiligkeit.
Wenn aber beides vorhanden ist, die Reihenfolge und die Entschlossenheit des
Hineinbegebens und Inanspruchnehmens, dann wird das Obergewand zum Wesentlichen,
auf das sich unser ganzes Streben ausrichtet. Der Friede Gottes klingt zusammen
mit dem Frieden in uns selbst, sein Friede verschmilzt mit unserem Frieden zu
harmonischer Einheit. Die Mühe weicht der Dankbarkeit, die Liebe schwingt sich
ein, wird schön und leicht, das Wort wird zum Gesang, das Handeln zur Musik.
Wenn so die ganze Welt in Schwingung kommt, ist sie am Ziel. Dann singt die
ganze Schöpfung. Wenn wir ganz hinein gelangt sind in die Liebe, ist das ganze
Leben Lobpreis, schwingende, singende, klingende Dankbarkeit, wahrhaftige
Anbetung. Dann ist Gott alles in allem. Soli deo gloria.
|
|