Miserikordias Domini
Leitmotiv: Der Gute Hirte
Wochenspruch: „Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.“ Johannes 10,11.27-28



Donnerstag: Johannes 21,15-17

Der deutsche Text vermittelt nicht, dass Jesus und Petrus in diesem Dialog zwei verschiedene Worte für „lieben“ gebrauchen: agapao und phileo. Das Wort agapao mit dem Substantiv agape hat erst durch das Neue Testament seine fortan hohe Bedeutung erlangt; es wird seither für die reine, göttliche Liebe verwendet, die nicht allein von Zuneigung bestimmt ist, sondern von der ethischen Entscheidung, dem Guten und Besten den Vorzug zu geben, auch wenn es den eigenen Interessen widerspricht. phileo mit dem Substantiv philia ist die menschliche Liebe, durchaus nicht im abwertenden Sinn, aber dennoch im psychologisch nachvollziehbaren Bezug auf die Erfüllung eines Bedürfnisses, mag es auch ein sehr edles sein. Jesus fragt Petrus zuerst nach der Agape, und er fragt sogar, ob Petrus ihn mehr als die andern mit dieser Liebe liebt. Wir sind geneigt, Petrus dringend zu empfehlen, der solle jetzt einmal ehrlich sein und zugeben, dass er Jesus keineswegs mehr liebt als die andern, das habe sich ja deutlich erwiesen. Aber Petrus kann so nicht antworten, weil die Liebe es nicht kann. Zwar sagt er phileo, als er entgegnet: „Ja, du weißt, dass ich dich liebe“, und damit hat er ganz Recht: der anmaßende Anspruch, aus eigener Kraft die göttliche Agape leben zu können, ist ihm vergangen, als er Jesus drei mal verleugnete, worauf das dreimalige Fragen Jesu jetzt sehr wahrscheinlich anspielt. Doch dass er ihn mehr liebt als die andern, verneint er nicht. Aber er bejaht es auch nicht. Er weiß es nicht, Jesus weiß es. Darin, dass Jesus es weiß, liegt seine ganze Hoffnung. Petrus kann seine eigene Liebe nicht messen, er kann sie überhaupt nicht zum Untersuchungsgegenstand machen, er kann sie nur im Hier und Jetzt bezeugen, und hier und jetzt steht der Auferstandene vor ihm, die Liebe selbst, und redet liebevoll mit ihm. Hier und jetzt kann er sich angesichts der Liebe, die ihm in diesem Augenblick begegnet, nicht mit anderen vergleichen, hier und jetzt hat er nur das eine Bedürfnis, von dieser Liebe geliebt zu werden und sie erwidern zu dürfen.

Petrus wird traurig, weil Jesus ihm die zurückliegende Anmaßung spiegelt. Beim ersten Mal fragt er, ob Petrus ihn mehr als die andern mit Agape liebe, beim zweiten Mal, ob er ihn überhaupt mit Agape liebe, beim dritten Mal ist nur noch von der Philia die Rede; er schlägt Petrus implizit also vor, ob er nicht besser grundsätzlich „Philia“ zu seiner Liebe sagen wolle.

So verändert sich Petrus vom Extrafrommen zum ganz normalen Menschen, der Jesus liebt, weil er sich von Jesus geliebt weiß, mit ganz normalem menschlichem Empfinden. Das ist die Voraussetzung für die Erfüllung seines pastoralen Auftrags.



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