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Ostern
Leitmotiv: Die Auferstehung
Wochenspruch: „Ich war tot, und siehe,
ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit
und habe die Schlüssel
des Todes und der Hölle.”
Offenbarung 1,18 |
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Dienstag:
Matthäus 28,1-10
Die Auferstehungsgeschichten haben einen surrealistischen Charakter. Das ist nicht zu
verwechseln mit Unwirklichkeit oder auch einer Wirklichkeit, die im Gegensatz zur
Alltagswirklichkeit steht. Es handelt sich auch nicht um den Einbruch des Übernatürlichen
in das Natürliche. Die Vorstellung, dass Ereignisse, die nicht im Horizont der
Alltagswirklichkeit liegen, übernatürlich seien, macht diese Ereignisse zu etwas
Unnatürlichem. Darin liegt unser großes Problem mit den religiösen Wundergeschichten
überhaupt. Wenn daraus sogar eine Wundersucht wird, nichts Seltenes anscheinend unter
Christen, dann verschwindet das ganze Leben hinter dem Schleier der Unnatürlichkeit
und die Wirklichkeitsauffassung dieser Personen wird zugleich lebensfremd.
Der Erfassung der Auferstehungsgeschichten näher kommt der Begriff des Paranormalen.
Er bezeichnet Erscheinungen, die zwar über die normale Erfahrung hinausgehen, die
wir also nicht mit konventionellen wissenschaftlichen Normierungen einordnen können,
von denen wir aber nicht im Voraus wissen, dass sie deswegen auch „übernatürlich“
oder „übersinnlich“ sind. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass uns alle diese
Erscheinungen nur auf natürliche, sinnliche Weise begegnen, weil wir gar nicht
anders als sinnlich-natürlich wahrnehmen können. Wenn wir darum behaupten, eine
Erscheinung sei über-natürlich oder über-sinnlich, so interpretieren wir sie
aufgrund eines weltanschaulichen Vorurteils, das davon ausgeht, dass es eine
Über-Natur tatsächlich gibt, also so etwas wie verschiedene Naturwelten,
wobei die eine über der anderen steht, nämlich unserer, in der wir uns befinden.
Das Problem dieser Unterscheidung ist die Abwertung der Welt, in der wir leben.
Aus der Erfahrung kann man sagen, das noch jede Ethik, die aus solcher
Abwertung hervorging, der Menschheit geschadet hat, weil sie das Natürliche
mit dem Makel des Minderwertigen versah.
Der Surrealismus in der Kunst ist nicht als Flucht in das Unwirkliche der Träumerei
zu verstehen, sondern als eine Tastbewegung hin zur tieferen Wirklichkeit unter der
Oberfläche unserer Alltagswahrnehmung, so wie man von einem Schiff aus erforscht,
was sich unter dem Wasserspiegel verbirgt, auf dem es schwimmt. Die tiefere
Wirklichkeit ist zu unterscheiden von einer anderen Wirklichkeit. Es ist
dieselbe Wirklichkeit wie unsere Alltagswirklichkeit, nur anders wahrgenommen,
nicht mit anderen Mitteln, weil uns nur die sinnliche Wahrnehmung zur Verfügung
steht, sondern mit anderen Zugängen, anderen Perspektiven. Das Bild des Meeres
verändert sich sehr, wenn man es nicht mehr nur vom Deck des Schiffes aus
betrachtet, sondern tief hineintaucht.
In der Kunst ist der Surrealismus ein Versuch, intuitiv unter die Oberfläche
abzutauchen. Eine Offenbarungseligion wie das Christentum entsteht hingegen durch
das Auftauchen von Erscheinungen aus der Tiefenwirklichkeit des Seins in unserer
Erfahrungswirklichkeit. In unserem Text tauchen erst die Engel auf und dann Jesus
selbst. Sie kommen wie aus dem Nichts und verschwinden auch wieder dorthin. Aber
eben nur wie aus dem Nichts. Wie wir die Wirklichkeit verstehen, aus der sie
kommen und in die sie zurückschwinden, hängt davon ab, wie wir Natur und
Wirklichkeit überhaupt verstehen. Die Auferstehungstexte legen jedenfalls
großen Wert darauf, die Auferstehungserscheinungen sehr klar von Hirngespinsten
abzugrenzen. Hirngespinste sind Pseudo- wirklichkeiten. Die Begegnungen mit Engeln
und dem auferstandenen Jesus selbst sind als echte Wirklichkeiten bezeugt. Das
ist ernstzunehmen.
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