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Estomihi
Leitmotiv: Der Weg zum Kreuz
Wochenspruch: „Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem,
und es wird alles vollendet werden,
was geschrieben ist durch die Propheten
von dem Menschensohn.“ Lukas 18,31 |
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Montag:
1. Korinther 13,1-13
Einziges legitimes Auslegungsprinzip der Bibel ist die Liebe. Gott selbst ist die Liebe,
und Liebe ist, was Gott ausschließlich möchte. Wenn das Christentum sich anders definiert
als so, ist es eine sehr fragwürdige Religion. Wenn es sich aber so definiert, ist es
einzigartig.
Diese Aussagen werden keineswegs dadurch relativiert, dass wir Menschen doch gar
nicht richtig wissen, was Liebe ist. Wir wissen genug davon. Paulus bekennt hier
sehr freimütig, dass alle Erkenntnis, die uns Menschen zur Verfügung steht,
Stückwerk ist. Alles sehen wir nur als unklares Spiegelbild. Natürlich gilt
das auch für unser Verständnis von Liebe. Aber genau dieses Verständnis, das
uns zur Verfügung steht, so bruchstückhaft und unvollkommen es auch ist, bildet
den Schlüssel zum Verständnis der Bibel. Das heißt: Unsere menschliche
Vorstellung von Liebe führt uns in das Geheimnis Gottes hinein. Die göttliche
Liebe transzendiert unsere menschliche Liebe.
Darum hat uns Jesus menschliche Geschichten von der Liebe erzählt, um die göttliche
Liebe zu verkünden, wie zum Beispiel die vom barmherzigen Vater im Gleichnis vom
Verlorenen Sohn. Mit solchen Bildern werden wir aufgefordert, von unserer
menschlichen Liebesvorstellung auf Gott zu schließen.
Man nennt das „Anthropomorphismus“ und sieht es gemeinhin nicht ohne Grund
skeptisch. In der Tat ist Skepsis angebracht, wenn wir Menschliches und allzu
Menschliches einfach auf Gott übertragen, als wäre es bei Gott genau dasselbe.
Nein, die menschliche Liebe weist nur auf die göttliche hin, aber die göttliche
bildet sich auch in ihr ab. Mit dem Bild, das Paulus hier gebraucht: In der
menschlichen Liebe spiegelt sich die göttliche. Sie spiegelt sich unklar,
aber eben durchaus klar genug, um ihren wahren Glanz so weit zu erfassen,
dass auch unsere menschliche Liebe echte, wahre Liebe wird.
Sonst könnte Paulus von der Liebe gar nicht so reden und sonst könnten wir es auch
nicht nachvollziehen. Das, was wir erfassen davon, ist uns geboten, nicht mehr
und nicht weniger. Dabei erfassen wir von Mensch zu Mensch durchaus Unterschiedliches
- Bruchstücke, Fragmente; keiner erfasst das Ganze. Aber dieses Unterschiedliche
widerspricht sich nicht, sondern es fügt sich zum guten Ganzen zusammen.
Das Vollkommene, auf das wir zuleben, ist das Ideal unserer menschlichen Liebe.
Die Linien aller echten menschlichen Liebeserkenntnis schneiden sich jenseits
unseres Horizonts in diesem idealen Punkt. Da ist Gott alles in allem.
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