Sexagesimä
Leitmotiv: Was Gottes Wort bewirkt
Wochenspruch: „Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht.“ Hebräer 3,15


Freitag: Apostelgeschichte 16,9-15

Die Erscheinung war wohl kaum das einzige Kriterium für den Entschluss, nach Mazedonien zu reisen, wie auch das Gespräch mit Paulus wohl kaum der einzige Anstoß für Lydia war, Christ zu werden. Die Zeit war reif. Diese Begegnung hatte sich angebahnt. Die Erscheinung, wahrscheinlich ein intensiver Traum, war für Paulus und sein Team wohl das letzte fehlende Puzzleteil ihres Fragens nach dem weiteren Weg, so wie das Gespräch mit Paulus für Lydia ihr letztes Puzzleteil im Suchen nach dem wahren Glauben war.

Die Erscheinung ist weder Diktat noch eindeutige Adresse, sondern ein letzter ungefährer Wegweiser, und Paulus tut gut daran, sie als solchen zu deuten. Darum bleibt er offen genug, um sich überraschen zu lassen. Dass eine Frau dem Christentum in Mazedonien den Weg bereiten würde, hatten sie wohl eher nicht auf dem Plan. Gut, dass Paulus die Erscheinung des Mannes nicht allzu genau nahm.

Lydia repräsentiert eine moderne Weiblichkeit, die sich abhebt von dem, was in der Antike üblich war. Sie ist eine selbständige Unternehmerin und sie ist auch noch die Chefin in Haus und Familie - recht ungewöhnlich in der patriarchalischen Gesellschaft ihrer Zeit. Dass sie aufgrund ihrer eigenen Entscheidung für ihr ganzes Haus - das ist in der Antike die Familie mit allen Angestellten und Sklaven - die Taufe verfügt, beweist ihre souveräne Machtposition. Es zeigt aber auch, dass die Taufe schon in der Urchristenheit nicht unmittelbar an den persönlichen Glauben des einzelnen Getauften gebunden war. Sie scheint vor allem das öffentliche Bekenntnis gewesen zu sein, dass sich zusammengehörende Gruppen von Menschen wie auch Einzelpersonen der Vorherrschaft des Christentums unterstellten, relativ unabhängig davon, wie weit der Glaube an Jesus Christus bereits für den Einzelnen zur durchweg lebensbestimmenden Überzeugung geworden war. Somit blieb auch die Hausgemeinde Missionsgemeinde. Ohnehin ist persönlicher Glaube nicht konservierbar. Er will von Tag zu Tag erneuert sein. Mithin ist der Unterschied zwischen denen, bei denen dies gestern schon geschah, und denen, bei denen es gestern noch nicht geschah, nicht sehr groß.

Entscheidend ist die Begegnung mit der Wirklichkeit des Evangeliums. Sie kann nicht ohne Spuren bleiben. Wo das Evangelium ist, da ist die Liebe, und wo die Liebe ist, geschieht befreiende Veränderung. Wo dieses Klima der Freiheit und Akzeptanz nicht herrscht, da ist auch das Evangelium nicht, wie sehr auch gepredigt und missioniert werden mag.



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