|
Inhaltliche Zusammenfassung
Dem Glaubenden gehen Lichter auf. Durch den Glauben sehen wir Wesentliches, aber vieles
bleibt im Dunkeln. Andere sehen anderes, je nachdem, welche Lichter ihnen aufgehen. Keiner
kann für sich beanspruchen, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein. Wir sind und bleiben
Suchende, und darin sind wir aneinander gewiesen, damit sich unsere Erkenntnis ergänzt
und uns gemeinsam voranbringt. Endziel allen Erkennens ist die Liebe Gottes
(Wochenspruch Jes 60,2).
Auch wenn das Göttliche durchscheint und auch wenn es uns mitunter in besonderen
Erscheinungen außerordentlich nahe zu kommen scheint, bleibt es uns doch verborgen,
weil ihm unsere Interpretationen solcher Erscheinungen nicht entsprechen können:
Sie sind rein menschlich und keineswegs göttlich. Das Göttliche kann aber nur auf
göttliche Weise recht verstanden werden. Medium dieser Verständigung ist das
göttliche Wort, das zum Menschenwort wird. In ihm ist uns das göttliche Wesen
in symbolischer Gestalt gegeben (Evangelium Mt 17,1-9).
Das Licht des Glaubens ist Gottes Licht; wir produzieren es nicht selbst. Darum können
wir uns weder auf unsere „Erleuchtung“ etwas einbilden noch sind wir befugt, uns zu
Lichtspendern anderer aufzuspielen. Im Licht des Glaubens erkennen wir das
menschenfreundliche Antlitz Gottes in Jesus Christus. Durch die Erfahrungen
des Leidens wird dieses Licht noch klarer, auch wenn es uns so vorkommt, als
würden alle Lichter ausgehen (2Kor 4,6-10).
Das Licht Gottes, das sich in uns als Glaube manifestiert, kann unsere Wahrnehmung
natürlicher Ereignisse so bestimmen, dass sie uns zum lebensverändernden Reden
Gottes wird. Das „Über-Natürliche“ der Gottesbegegnung liegt dann nicht im Ereignis
selbst, sondern in der mystischen Fokussierung auf das, was Gott uns durch das
Ereignis sagen will (Ex 3,1-14).
Bei den natürlichen Ereignisse, durch die Gott uns anredet, kann es sich auch um Träume
oder Halluzinationen handeln. Träume sind nicht Schäume und Halluzinationen sind nicht
dasselbe wie Wahn. Ein Wahn entsteht erst durch die Fehlinterpretation von Wahrnehmungen.
Es ist genauso falsch, Träume und Halluzinationen von vornherein als wahnhaft abzutun,
wie die darin geschauten Bilder als buchstäbliche Beschreibungen der gegenständlichen
Wirklichkeit anzusehen. Stattdessen gilt es zu fragen, welche Bedeutung das Wahrgenommene
für uns haben kann. Möglicherweise enthält es eine unmittelbare Anrede Gottes (Off 1,9-18).
Wenn uns das Antlitz Gottes in der Gestalt Jesu erscheint, dann immer nur in einem
persönlichen Angesprochensein. Der distanzierten, „rein sachlichen“ Betrachtung
entzieht es sich. In den Schubladen der dogmatischen Systeme findet sich keine
Gottesbegegnung, sondern allenfalls mancher Hinweis darauf, wo sie zu suchen ist
(Joh 12,34-41).
Der Glaube lebt davon, dass uns etwas aufscheint, das wir deuten: Wir sehen etwas
und hören darauf, was uns das Gesehene sagt. Das Empfundene Verhältnis des so
Gesehenen mit dem so Gehörten nennen wir „Gewissen“. Dass beides, Erscheinung
und Deutung, glaubhaft übereinstimmen, indem es sich uns miteinander als Wahrheit
offenbart, erkennen wir als das Wirken des Heiligen Geistes in unserem Bewusstsein
(2Pt 1,16-21).
Vorschläge zur Vertiefung
- Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, die man im tieferen Sinn als spirituell oder
mystisch bezeichnen könnte? Manchmal sind das auch ganz unscheinbare Momente, die sich
aber nachhaltig in unserem Gedächtnis festsetzen und immer wieder ins Bewusstsein
aufsteigen.
- Wie deuten Sie diese Erfahrungen, d.h.: Was be-deuten sie Ihnen?
- Wenn Sie das als Reden Gottes bezeichnen wollen - was haben Sie
gehört? Welche Konsequenz ziehen Sie daraus?
|
|