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Freitag:
2. Petrus 1,16-21
Offenbarung ist nach diesem Text eine mystische Erfahrung aus zwei Kompomenten: Einem
Sehen und einem Hören. „Wir sahen seine Herrlichkeit“: Das ist ein durchgängiges
Merkmal biblischen Glaubens. „Sehen“ meint, im Gegensatz zum Fabulieren, die greifbar
reale Begegnung mit dem göttlichen Geheimnis, wenngleich diese uns immer nur in der
symbolischen Weise des Scheinens („Herrlichkeit“ ist im Griechischen der Schein)
widerfährt, als Er-Scheinung, das heißt: als in die Sichtbarkeit eintretender Schein.
Im Griechischen wie im Deuschen ist der Schein doppeldeutig als Lichtschein und als
Scheinbares im Unterschied zum eigentlichen Wesen. Diese Doppeldeutigkeit kann der
Glaube nicht auflösen, aber er lebt von dem Schein, der sich ihm in völlig überzeugender
Weise darstellt, und diesen Schein bezeugt er. Paulus sagt, dass wir diesen hellen
Schein in unseren Herzen tragen (2Kor. 4,6). Das Entscheidende an diesem Sehen ist
also die innere Überzeugung. Aber diese innere Überzeugung entsteht nicht einfach
nur von innen heraus, sondern sie entzündet sich an Sinneswahrnehmungen. Das
meint „Sehen“.
Die zweite Komponente, das Hören, ist die Deutung des Gesehenen. Wahres Hören ist
Verstehen. Wenn wir etwas vom Geheimnis Gottes verstehen, so sagt der Text ganz
deutlich, dann ist auch das ein Herzensvorgang, den wir nicht dadurch selbst
produzieren, dass wir uns einen Reim aus dem Gesehenen machen. Genau das führt
zu den „ausgeklügelten Fabeln“, von denen die Religionen voll sind, auch das
Christentum. Dieses Verstehen ist vielmehr ein Wahrnehmen innerer
Übereinstimmung zwischen dem Gehörten und dem eigenen Wahrheitsempfinden,
eine innere Zustimmung dem Gehörten gegenüber, für die wir uns nicht
willkürlich entscheiden, weil sie sich wie von selbst in uns ereignet.
Wir nennen die gedachte Instanz in uns, in der sich der Vorgang des
Übereinstimmens ereignet, das Gewissen. Wir haben uns unter Gewissen
aber wohl kaum irgendeinen Funktionsbereich des Gehirns oder
dergleichen vorzustellen. Das Gewissen präsentiert sich uns
nur im Auftreten des Vorgangs selbst, so wie der Wind sich
an seinen Wirkungen zeigt. Insofern lässt sich mit unserem
Text dieser Vorgang sowohl beim Hörenden wie beim Redenden,
sofern das Reden Weissagung, also weises Reden ist, als „getrieben“,
gewirkt durch den Heiligen Geist bezeichnen.
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