2. Sonntag nach Epiphanias
Leitmotiv: Die Freude des Glaubens
Wochenspruch: „Das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ Johannes 1,17



Montag: Römer 12,9-16

Für die Verwendung dieses Abschnitts als Predigttext wird vorgeschlagen, noch die Verse 4 bis 8 dazuzunehmen. In der Tat ist es für das Verständnis eher ungünstig, nur die Verse 9 bis 16 herauszugreifen. Aber man sollte besser nicht die Verse davor hinzufügen, sondern die Verse danach bis Vers 21. Nur dann sind die Aussagen zum konstruktiven, liebevollen Umgang miteinander und mit Fremden so eingebettet, wie Paulus sich das wohl auch ursprünglich gedacht hat.

Der Schlüssel zur Auslegung dieses Textes liegt im ersten Satz: „Die Liebe sei ohne Falsch. Hasst das Böse, hängt dem Guten an.“ Bis Vers 16 wird dann das Hängen am Guten thematisiert, in den Versen 17 bis 21 folgt der Umgang mit dem Bösen. Das Erste geht nicht ohne das Zweite. Genau darin liegt die Kunst der wahrhaftigen Konstruktivität. Wenn wir das Böse nicht vom Guten unterscheiden und es hassen, ihm also konsequent widerstehen, dann ist unser Gutes nicht gut. Dann ist etwas faul daran. Das Faule ist der Kompromiss mit dem Bösen.

Diese Unterscheidung können wir wiederum in einer destruktiven oder in einer konstruktiven Weise vornehmen. Destruktiv ist das Verurteilen der Gesamtperson aufgrund gewisser Verhaltensweisen. Traditionell bezeichnet man die überhebliche Haltung, die in dieser Weise die Bösen von den Guten trennen will, als Richtgeist. Der Richtgeist ist selbst böse, weil er von Grund auf ungerecht ist, sich aber als wahrer Vertreter der Gerechtigkeit gebärdet. Der Richtgeist ist unwahrhaftig. Konstruktiv ist die klare Unterscheidung zwischen dem Bösen als Verhalten und dem Menschen, der das Böse tut.

Es kann ungemein schwer sein, so zu unterscheiden, aber genau darum geht es Paulus. Wenn wir das nicht als notwendigen Background seiner Aussagen über den liebevollen Umgang im Blick haben, verflacht dieser zu oberflächlicher Sentimentalität.

Schwer ist es auch, weil wir nicht nur zwischen dem Täter und der Tat unterscheiden müssen, sondern auch zwischen der wirklich bösen Tat und unserer Fantasie, die etwas als böse bezeichnet, was wir einfach nur missverstehen. Gerade aus dieser Verquickung, dass sowohl die böse Tat mit dem Täter als auch das Missverstandene mit der bösen Tat verwechselt werden, geht das Böse hervor. Aus dem Vorurteil wird das böse Urteil, das dem andern die Würde und die Rechte der Menschlichkeit abspricht. Das allein ist wirklich böse und das bedarf des entschiedenen, sehr klaren Widerstands. Was auch immer an ungünstigem Verhalten nicht aus dieser Verqickung entsteht, ist verzeihliche Schwäche, Fehler, Nichtwissen. Irren ist menschlich, aber das Böse ist unmenschlich.

Nur durch diese schwere Unterscheidung wird das Gute wirklich gut. Wenn es aber gut ist, überwindet es das Böse. Wenn es faul ist, erliegt es ihm.



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