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Christfest: Leitspruch
Die „Fleischwerdung“ eines Wortes geschieht darin, dass dieses Wort Gestalt annimmt. Wenn ich
einem andern mein Wort gebe, bewahrheitet es sich in meinem Verhalten. Dort nimmt es Gestalt
an. Wenn mein Wort ein Versprechen ist, dann nimmt es die Gestalt der Erfüllung an.
Die Gestalt des Wortes ist die Wirkung des Wortes: Es wirkt sich in unserem Verhalten
aus. Es ist nicht nur so dahingesagt. Unser Verhalten bekräftigt das gegebene Wort.
Wenn das nicht geschieht, sprechen wir von Lüge.
Zur Wahrheit eines Wortes gehört also beides: Die Aussage als solche und die
Auswirkung. Das Wort bewahrheitet sich in dem, was es bewirkt.
Das Wort Gottes bewahrheitet sich darin, dass es in menschlicher Gestalt unter
uns wohnt. Dass der Text das in der Vergangenheitsform ausdrückt, deutet nur
auf den Beginn des Wohnens hin. Mit anderen Worten: Es hat angefangen, unter
uns zu wohnen. Wohnen heißt: Sich dauerhaft einrichten in einer Umgebung und
sich auf sie einstellen. Der Sinn des Wohnens ist das Zuhausesein. Es hat sich
niedergelassen unter uns. Es hat Heimat unter uns gefunden.
Die Niederlassung des Wortes Gottes in menschlicher Gestalt unter uns hat aber
zwei Seiten. Einerseits hat es sich unser menschliches Dasein selbst als Heimat
auserkoren. Es will hier wohnen. Andererseits können wir ihm das Heimatrecht
unter uns zuerkennen oder auch nicht.
„Wir sahen seine Herrlichkeit“. Das ist auch wieder so zu verstehen, dass
wir mit dem Sehen begonnen haben. Uns ging ein Licht auf und das Licht
scheint uns jetzt. „Herrlichkeit“ ist ein ziemlich missverständlicher Begriff.
Im Griechischen steht hier „Doxa“. Das ist nicht eine Herrlichkeit im Sinne
von Großartigkeit, sondern ganz schlicht ein Schein. Wir haben angefangen,
den Schein dieses Lichtes zu sehen.
Die Erscheinung dieses Lichtes im Stall von Bethlehem war sehr unscheinbar.
Dieses Licht versteckt sich nicht, aber dennoch muss und will es entdeckt
werden. Es geht uns auf und leuchtet uns, wenn wir ihm Wohnraum geben in uns
und unter uns. „En hemin“, steht im griechischen Bibeltext; das heißt beides:
„in uns“ und „unter uns“.
Das Wort Gottes ist das Wort der Wahrheit. Darum liegt es in seiner Natur,
sich zu bewahrheiten, indem es Gestalt gewinnt. Und so ist es auch als Gehörtes
und Geschautes für uns nur wahr in seiner Wirkung, die es an uns tut. Die
Gestalt, die es in uns und unter uns annimmt, ist der Gestalt Jesu ähnlich.
Sie ist Schein vom selben Licht.
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