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Inhaltliche Zusammenfassung
Das durchweg Böse ist das Teuflische. Es gewinnt Macht über uns, wenn wir uns zu überzeugten
Verteufelungen hinreißen lassen. Verteufelungen im augenblicklichen Affekt sind nicht das
Problem und auch tiefere Ressentiments aus Bitterkeit und Groll sind an sich nicht böse,
solange der Mensch, der sie in sich erlebt, sie als Folge erfahrener Verletzungen versteht
und nicht mit der Wahrheit gleichsetzt. Das durchweg Böse manifestiert sich erst dort,
wo eine scheinbar rationale Erkenntnis entstanden ist, die pauschale Verteufelung
Anderer sei völlig angemessen.
Daraus sind zum Beispiel die Verbrechen des Nationalsozialismus entstanden. Die Überwindung
des Bösen (Wochenspruch Rö 12,21) setzt also voraus, zwischen dem Verhalten einer Person
und ihr selbst zu unterscheiden.
Das Böse braucht harten und konsequenten Widerstand. Es trägt aber sehr hohe Ansteckungsgefahr
in sich: Böses zu erleben, kann uns ganz leicht selbst böse machen. Gefährlich ist dabei
nicht die Emotion. Manchmal ist es wichtig, jemand böse zu sein, um notwendige Grenzen
ziehen und Beziehungsklärungen angehen zu können. Das Böse potenziert sich aber, wenn wir
uns vom aggressiven Gefühl dazu bewegen lassen, Böses mit Bösem zu vergelten. Davor warnt
uns die Bergpredigt (Evangelium Mt 5,38-48).
Die „geistliche Waffenrüstung“ schützt uns davor, dass die Mächte des Bösen in uns zum Ziel
kommen und befähigt uns, gegen das Böse den Frieden zu verwirklichen. Letztes Ziel des
Bösen ist die völlige Zerstörung des Vertrauens zu Gott, der Umwelt und sich selbst.
Das Böse isoliert. Wenn jeder nur noch sich selbst der Nächste ist, schwindet damit
auch seine Achtung und Verantwortung für sich selbst dahin. Das Böse entfremdet uns
einander und entmenschlicht uns innerlich (Eph 6,10-17).
Die größten und eigentlichen Feinde des wirklich Bösen sind Liebe und Wahrheit. Das Böse
zerstört nicht nur das Vertrauen in Liebe und Wahrheit, sondern es versucht auch mit aller
Macht, Liebe und Wahrheit selbst zu zerstören. Dazu hüllt es sich mit Vorliebe in den
Schein, selbst Liebe oder Wahrheit zu repräsentieren, nie aber beides in einem.
Unwahrhaftige Liebe und lieblose Wahrheit bringen scheinbar harmonische Ordnungen
zustande. Am schrecklichsten wütet das Böse dort, wo es ihm gelingt, sich den Schein
des Guten zu geben und damit sehr viel Macht zu gewinnen (Mt 10,34-39).
Dieser Schein des Guten infiziert den Menschen mit Hoffnungslosigkeit. Das Böse produziert
auch die Verzerrungen der Hoffnung, die in Wirklichkeit keine Hoffnung sind, sondern aus
den Fehlschlüssen der Resignation bestehen. Das heißt: Man hofft nicht mehr auf das,
was die Hoffnung wert ist. Machtvoll wird die Pseudohoffnung durch den kollektiven
Wahn, dass die Multiplikation der Maxime „Jeder ist sich selbst der Nächste“ Gutes
zustande bringt. Solche Kollektive folgen utopischen Hirngespinsten, weil sie echte
Hoffnung und echtes Vertrauen, Wahrheit und Liebe verweigern (Jer 29,1-14).
Das Böse gewinnt keine dauerhafte Macht über uns, wenn wir in der Liebe bleiben. Das ist
nichts Statisches und nichts Perfektes: Um zu lernen machen wir viele Fehler, auch schwere
mit üblen Konzessionen an das Böse. Der Wille zur Liebe und das tatsächliche Leben in der
Liebe sind zweierlei. Aber der Wille zur Liebe kommt trotz vieler Enttäuschungen und
Niederlagen immer wieder darauf zurück, das jeweils Bessere zu suchen und zu finden und
dadurch das Böse zu überwinden. Wer so lebt, den nennt Jesus seinen Freund (Joh 15,9-17).
Das Böse isoliert uns entweder oder es schaltet uns gleich. Aktiv wie passiv: Wer sich vom
Bösen beherrschen lässt, entzieht sich der Gemeinschaft und eine Gemeinschaft, in der das
Böse zu viel Raum hat, grenzt alle aus, die nicht gleichgeschaltet sind. Weiterhin gilt:
Wer dem Bösen nicht widersteht, lässt sich gleichschalten, und wer sich vom Bösen beherrschen
lässt, trachtet danach, über andere zu herrschen, um sie seinem Willen anzupassen, oder
sie auszugrenzen, wenn sie ihm nicht gefallen oder ihre Gleichschaltung nicht gelingt.
An diesen Zusammenhängen wird ersichtlich, dass die Macht des Bösen sehr subtilen,
weit und tief gehenden Einfluss auf die menschlichen Beziehung hat. Die christliche
Gemeinde ist das Modell einer Gemeinschaft, in der dieser Einfluss überwunden wird
(1.Korinther 12,12-14.26-27).
Vorschläge zur Vertiefung
- Malen Sie sich eine ideale menschliche Gemeinschaft aus, in der das Böse überwunden ist.
Vielleicht wollen Sie das buchstäblich malen oder eine Geschichte dazu schreiben? Gewinnen
Sie jedenfalls eine klare Vorstellung davon.
- Vergleichen Sie das Realbild Ihrer eigenen Kirche oder Gemeinde mit diesem Idealbild. Was
freut Sie an diesem Realbild? Was sehen Sie
als veränderungsbedürftig an?
- Worin besteht für Sie ganz persönlich die größter Herausforderung zum Widerstand gegen
das Böse?
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