21. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Das Böse überwinden
Wochenspruch: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Römer 12,21




Predigt
zum Text
Sonntag: Matthäus 5,38-48  Evangelium

Die Aufforderung, dem „Übel“ nicht zu widerstehen, ist missverständlich übersetzt. Das griechische Wort für „widerstehen“, das hier verwendet wird, meint in diesem Zusammenhang militante Gegenmaßnahmen nach dem Motto „Wie du mir, so ich dir“. Außerdem steht hier nicht „Übel“, sondern „Böses“. Falsch verstanden bedeutet Verzicht auf Widerstand gegen das Böse zwangsläufig, dem Bösen das Feld zu überlassen. Natürlich kann das hier nicht gemeint sein. Es geht um das Handeln aus Rache, dieses böse Grundprinzip der Eskalation: Ich nehme mir das Recht heraus, dir Böses zu tun, weil du mir Böses getan hast. Dem setzt Jesus entgegen: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“

Jesus zitiert in diesem Abschnitt der Bergpredigt pharisäische Doktrinen, die sinnverzerrend in Bibelsprüche verpackt waren. „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ ist eigentlich ein rein juristischer Grundsatz, der gerade dazu gegeben ist, dem bösen Trieb zur Selbstjustiz zu wehren. Das ist der vernünftige Anspruch auf gerechten Ausgleich, wo das möglich ist. Aber der Pharisäismus machte daraus eine Rechtfertigung der selbstgerechten Rache.

Wenn nicht Rache, was dann? Das, was deeskaliert. Friedenspolitik statt Kriegspolitik. Harter, kompromissloser Widerstand gegen das Böse, vergleichbar mit dem Widerstand von Küstenbewohnern gegen Sturmfluten: starke Deiche dagegen. Aber keine Rache, sondern Nutzen jeder Möglichkeit, Vertrauen zu bauen und Frieden zu erwirken.

Die Beispiele dieses Textes haben ein Gefälle von brutalem Unrecht über unbarmherzige Rechtsforderungen bis zu Bitten. Das ist durchaus nicht alles böse. Es geht Jesus aber darum, dass wir in allem, was in uns den Eindruck entstehen lassen kann, zu kurz zu kommen, die innere Freiheit bewahren, indem wir uns dadurch nicht einengen lassen, sondern großmütig und darum auch großzügig reagieren. Darin bewahren wir unsere Würde. Das kommt am stärksten in der Aufforderung zum Ausdruck, die andere Wange hinzuhalten. Das ist die Reinform des passiven Widerstands: wahre Tapferkeit, wahre Würde im demonstrativen Stehenbleiben, selbstsicherer Protest zwischen den entwürdigenden Versuchungen des Nachgebens und Zurückschlagens.



E-Mail: info@isa-institut.de       Datum der letzten Änderung: 26.10.2020