|
18. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Das höchste Gebot
Wochenspruch: „„Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt,
dass der auch seinen Bruder liebe.“
1. Johannes 5,4 |
|
Inhaltliche Zusammenfassung
Johannes zufolge ist die Gottesliebe nicht die Voraussetzung echter Nächstenliebe, obwohl
in der Theologie sehr oft das Gegenteil behauptet wird. Vielmehr kann von echter Gottesliebe
nur dort die Rede sein, wo sich echte Nächstenliebe findet. Was aber beiden überhaupt erst
ermöglicht, ist die Liebe Gottes zu uns (Wochenspruch 1Joh 4,21).
Menschen, die sich von der Liebe Gottes bewegen lassen, nennt die Bibel „Gerechte“. Dieser
Gerechtigkeitsbegriff unterscheidet sich deutlich von Selbstgerechtigkeit und Richtgeist.
Gerechtigkeit ist Verantwortlichkeit und Verantwortlichkeit ist vernünftige, konstruktive,
konsequente, aktive Friedensliebe. Eine solche Haltung wirkt als Segen auf den, der sie
lebt, zurück (Jes 58,7-12 zum Erntedank).
Wir werden den Mitmenschen, insbesondere auch den Mitchristen, nur dann gerecht, wenn wir
großzügig sind. Das Problem der gesetzlichen Ängstlichkeit, das von Beginn der
Christenheit an sehr viele Gläubige plagt, ist die Einschränkung der Großzügigkeit.
Sie wird mit Leichtsinn verwechselt. Man meint, notwendige „klare“ Grenzen würden
dadurch verwischen. Aber der Gerechte hat ein weites Herz. Die Weitherzigkeit ist
die tatsächlich verbindende Kraft der christlichen Gemeinde. Sie ist auch großzügig
gegen die Engherzigen, sofern sie ihre Ansichten nicht verabsolutieren und als
Instrumente der Macht missbrauchen (Rö 14,17-19).
Die Gottesliebe kommt dadurch in uns zum Ziel, dass sie uns alle Sicherheit der frommen
Selbstbestätigung nimmt. Damit der Glaube echt wird, muss aller Glaube, der nur der
Selbstrechtfertigung gilt, zerbrochen werden. Für uns sind das traumatische
Krisenerfahrungen. Aber das ist es, was die Bibel mit „Wiedergeburt“ und dem „Eingehen
in Gottes Reich“ meint. Erst am tatsächlichen Ende unserer eigenen Möglichkeiten
kann sich wahres Loslassen ereignen, die notwendige Voraussetzung wahrer Freiheit
und kompromisslosen Gottvertrauens (Mk 10,17-27).
Die Erfüllung des Liebesgebotes setzt wahre Freiheit voraus, denn nur in wahrer Freiheit
sind wir unabhängig davon, Menschen nach äußeren Kriterien des Scheins, in dem wir sie
sehen, zu beurteilen (Jk 2,13-18). Man könnte folgern, dass es nur sehr wenige Menschen
gibt, die das Liebesgebot erfüllen, weil es nur sehr wenig wirklich freie,
„wiedergeborene“ Menschen gibt. Einerseits hat der Gedanke durchaus seine ernste
Berechtigung, weswegen die Jünger Jesus auch erschrocken fragten, ob unter solchen
Voraussetzungen überhaupt ein Mensch in das Reich Gottes gelangen kann. Andererseits
antwortete Jesus, dass Gott in der Lage ist, das in uns zu bewirken. Das lässt
sich nachvollziehen, wenn wir das Freiwerden als pädagogischen Prozess verstehen,
der sich über das ganze Leben erstreckt. Es ist der Unterricht in der Kunst des
Sterbens. Dieses Studienfach wählt sich nur freiwillig aus, wer nicht weiß,
worum es dabei geht.
Die zehn Gebote (Ex 20,1-17) ergänzen nicht das Liebesgebot, sondern sie entfalten es
in die beiden Richtungen der Gottesbeziehung und der zwischenmenschlichen Beziehung.
Sie sind als Einschränkungen formuliert. Ihre Schranken engen aber nicht ein, sondern
sie weisen uns den Raum der Lebensentfaltung zu, der uns entspricht. Die Schranken
verwehren uns auf der einen Seite jeden Versuch, das Göttliche in den Griff zu bekommen,
auf der anderen Seite ziehen sie die Grenze zur Unnatürlichkeit. Angemaßte Göttlichkeit
und Unnatürlichkeit entmenschlichen uns.
Die Umsetzung des Liebesgebotes hat nichts Sentimentales an sich. Sie geschieht an jedem
neuen Tag in der schlichten, nüchternen Form verantwortlicher Zeiteinteilung. Die Zeit
wird „böse“, wenn wir sie uns nicht dienen lassen. Dann setzt sie uns unter Druck.
Die Versklavung an die Zeit ist unnatürlich. Es gibt kein Leben unter dem Liebesgebot
ohne Selbstdisziplin (Eph 5,15-21).
Vorschläge zur Vertiefung
- Wo ist in Ihrem Leben die Liebe? Gehen Sie davon aus, dass sie da ist und spüren Sie
ihr nach. Achten
Sie dabei auch auf die scheinbar schwachen Erinnerungsimpulse.
- Gewinnen Sie Bilder und Worte von der Liebe in ihrem eigenen Leben.
|
|