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Freitag:
Hebräer 10,35-39
Schwierig an diesem Text ist, dass Vertrauen als Gegenstück zur Verdammung dargestellt wird.
Denn wer unter der Voraussetzung vertraut, andernfalls verdammt zu werden, vertraut eben
gerade nicht, sondern er ist von Angst getrieben. Man stelle sich einen Marathonläufer
vor, der weiß, dass ihm eine schreckliche Strafe droht, wenn er nicht tapfer bis zum
Ziel durchhält. Von Vertrauen kann da keine Rede sein. „Verdammung“ ist der christlichen
Auslegungstradition nach aber die schrecklichste aller Strafen, nämlich ewige,
unerträgliche Höllenqual. Entweder konstatieren wir, dass einige Autoren der
neutestamentlichen Literatur einen Grundbaustein in die christliche Theologie
gefügt haben, auf dem Glaube als Vertrauen, Hoffnung und Liebe nun einmal nicht
gründen kann, weil die Angst vor der Hölle nun einmal weder mit Vertrauen noch
mit Liebe vereinbar ist. Oder wir interpretieren sie anders, wenn sie von „Verdammung“
reden. Wir unterstellen damit, dass „Verdammung“ noch etwas anderes bedeuten kann
als „Brennen in der Hölle“. Und dieses andere muss vereinbar sein mit echtem Vertrauen.
Das scheint eine ziemlich schwierige theologische Herausforderung zu sein. So viel lässt
sich aber diesem Text schon einmal entnehmen: Das Problem eines Menschen, der
„zurückweicht“, besteht darin, dass er nicht ans Ziel kommt. Vertrauen hingegen
bedeutet, trotz aller Widersprüchlichkeit (die theologische Widersprüchlichkeit
eines Textes wie Hebräer 10 eingeschlossen) geduldig (mitunter auch sehr geduldig)
weiterzugehen. Was auch immer zweifeln lässt, wie stark auch immer, es lohnt sich,
Gott dennoch zu vertrauen. Weil Gott die Liebe ist, kann sein Wille, den es
geduldig einzuhalten gilt, nur darin bestehen, an der wesenhaften Notwendigkeit
seines Erbarmens festzuhalten, trotz allem, was dagegen spricht (auch allen
theologischen Einwänden zum Trotz, die behaupten, Gott sei die Liebe, aber
man müsse auch Angst vor ihm haben).
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