13. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: In der Liebe leben
Wochenspruch: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Matthäus 25,40



Inhaltliche Zusammenfassung

Indem Jesus das Augenmerk auf die „geringsten Brüder“ richtet und sich mit ihnen identifiziert, erhebt er die Achtung zum obersten Prinzip des christlichen Miteinanders (Wochenspruch Mt 25,40).

Die Geschichte vom Barmherzigen Samariter (Evangelium Lk 10,25-37) ist ein Urbild der Selbstverleugnung. Hier wird deutlich, was darunter zu verstehen ist: Die Entscheidung für das Bedürfnis des andern dort, wo das eigene Bedürfnis nicht mit jenem vereinbar ist. Das heißt in solchen Situationen: Entweder bekommt der andere, was er braucht, oder ich bekomme, was ich brauche - beides zugleich lässt sich nicht verwirklichen. Selbstverleugnung ist also der situationsbezogene Entschluss, auf das zu verzichten, was ich selbst brauche, um dem andern das zu geben, was er braucht. Die Geschichte vom Barmherzigen Samariter zeigt auch, dass dies, im Unterschied zu Verhaltensweisen wie dem Helfersyndrom, nur dort gefragt ist, wo der andere sich selbst das nicht geben kann, was er braucht. Da Jesus aber das Prinzip der Selbstverleugnung sehr betont, scheint er davon auszugehen, dass es solche Samariter-Herausforderungen häufig gibt.

Die Freiheit zu dieser Barmherzigkeit ist darin begründet, dass Gott sie uns gibt. Es ist keine kalte und einsame Freiheit, sondern es ist die Freiheit seiner wahrhaftigen, ungeteilten Liebe zu uns, die alles Misstrauen und alle Furcht überwindet (1Joh 4,7-12).

Die Freiheit in der Liebe hat Priorität für die Wahl unserer Beziehungen. Familiensysteme verlieren in dem Maß ihre Verbindlichkeit, in dem sie Liebe und Barmherzigkeit verachten und die Freiheit durch Diktate ersetzen (Mk 3,31-35). Heilen können Systeme, die daran erkrankt sind, indem sie sich nach dem Prinzip des Wochenspruchs neu an der Erfüllung der Bedürfnisse der „Geringsten“ darin ausrichten. Voraussetzung dafür ist, dass es in solchen Systemen Menschen mit der Haltung des Samariters gibt.

Kain ist die Symbolgestalt des Menschen, der sich dem Weg zum Frieden verschließt (Gen 4,1-16). Kain sieht die Verschlossenheit als sein gutes Recht an, weil er Gottes Verhalten entschieden negativ interpretiert. Weil Kain sich selbst in der Opferrolle festsetzt, wird er zum Täter des Bösen. Auf diese Weise breitet sich das Böse unter den Menschen aus. Gott rettet die Menschheit aus dem Strudel, indem er selbst in sie hineinkommt und den Gegenweg der Liebe beschreitet. In der Kainswelt wird Gott dadurch selbst zum Opfer, wie auch der Mensch, der ihm folgt. Das ist der Preis der Nachfolge Christi. Aber das ist kein sinnloses Opfer, sondern die Liebe kommt darin zum Ziel.

Der Gegenweg zum Kainsweg befreit zur Großzügigkeit. Arme Menschen sind auf die Großzügigkeit ihrer reichen Mitmenschen angewiesen, aber auch sie selbst sind vor die Entscheidung gestellt, den Kainsweg oder den Christusweg zu wählen. Die Großzügigkeit des erbarmenden Helfens der Liebe befreit und ermutigt zur Eigenständigkeit, statt Demütigung und Abhängigkeit des Empfängers vom Geber zu bewirken (Mt 6,1-4).

Die Struktur der Kirche richtet sich, wenn sie gesund ist, an denen aus, die am bedürftigsten sind. Von dort her ordnet sich der ganze Gemeindeorganismus. Gesund und lebendig bleibt die Kirche, wenn sie diese Ausrichtung beständig den tatsächlichen Erfordernissen anpasst, statt in Ordnungen zu erstarren, die vielleicht früher einmal angemessen waren, nun aber ihren Hauptzweck darin haben, Macht und Pfründe zu sichern. Das gilt für beides: Kirchenrecht und Theologie (Apg 6,1-7).

Vorschläge zur Vertiefung
  • Was hat Ihren eigenen Glauben an die Barmherzigkeit Gottes erschüttert? Wie gehen Sie damit um?
  • Worin sehen Sie für sich persönlich Sinn und Grenze der Nächstenliebe?
  • Was bedeutet für Sie persönlich Helfen von unten herauf statt von oben herab?
  • Was bedeutet es für Ihr Verständnis von Seelsorge?



E-Mail: info@isa-institut.de       Datum der letzten Änderung: 25.08.2018