11. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Pharisäismus und Gnade
Wochenspruch: „Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“ 1. Petrus 5,5

Inhaltliche Zusammenfassung

Demut bedeutet, sich „unter die gewaltige Hand Gottes“ zu beugen, seinem Willen also den Vorrang gegenüber dem eigenen Willen zu geben und die eigenen Wünsche den Zielen Gottes unterzuordnen, auch und gerade dann, wenn Ziel oder Weg oder beides uns verborgen bleibt. Das können wir wollen und uns dazu entschließen, und dennoch kann kein Mensch wahrhaftig von sich behaupten, demütig zu sein (Wochenspruch 1Pt 5,5).

Der Pharisäismus repräsentiert den Menschen, der sich selbst nicht kennt und sich darum für etwas Besseres hält. Sein blinder Fleck, der seine vermeintlich hohe moralische Qualität ad absurdum führt, ist die Verachtung derer, die er für schlechter hält. Im Gedanken, „etwas Besseres“ zu sein, liegt das Verführerische überall dort, wo ein Mensch in die Aura elitärer Kreise tritt, die ihn in dieser Neigung bestätigen. Dem steht nach der Lehre Jesu der Mensch gegenüber, der sich selbst erkennt und Ermutigung braucht, sich trotzdem selbst anzunehmen und zu vertrauen. Die ehrliche Selbsterkenntnis, verbunden mit der Bereitschaft, sich lernend zu verändern, ist Kennzeichen der Menschen, die Gott gefallen (Evangelium Lk 18,9-14; Lk 7,36-50; 1Sm 12,1-15a).

Die Gnade offenbart sich uns darin, dass wir Gottes Werk sind, in dem er sich selbst verwirklicht. Ohne diesen Bezug sind wir „tot“, so wie ein gestaltloser Stoff, der seine Bestimmung noch nicht gefunden hat (Eph 2,4-10).

Wenn die Gnade an uns wirkt, trifft sie auf Widerstand, so wie der Künstler dem Widerstand des Stoffs begegnet, den er bearbeitet. Der Ausdruck „Zöllner und Huren“ steht für Menschen, die sich aus Enttäuschung eine harte Schale zugelegt haben, um sich vor weiteren Verletztungen zu schützen. Ihr Herz ist letztlich leichter von der Gnade zu erreichen als das harte Herz derer, die sich nach außen hin mit einer trügerisch weichen Schale umgeben. Dies ist das pharisäische Herz (Mt 21,28-32).

Wir erfassen im Glauben, dass wir von Gott völlig angenommen sind. In dieser Wirklichkeit leben wir, wenn wir alles, was uns widerfährt, in ein bejahendes Verhältnis zu Gott bringen. Das heißt: Wir überlassen ihm unsere Sorgen ganz. Wir sind dazu nicht gezwungen: es sind Akte freiwilligen Vertrauens. Wir können uns auch wieder, aus Angst davor, zu kurz zu kommen, unter die Herrschaft der Sorge begeben. Damit verschließen wir uns aber selbst der Erfahrung, dass Gott wirklich liebevoll mit uns umgeht (Gal 2,16-21).

Vorschläge zur Vertiefung
  • Meditieren Sie Ihren eigenen Pharisäismus. Lassen Sie in entspanntem Zustand Ihre hochmütigen Fantasien und Ihre Ressentiments gegen andere Menschen zu und beobachten sie einfach nur, was in Ihnen vorgeht, ohne es zu bewerten. Spüren Sie den Verletzungen nach, aus denen diese Empfindungen, Gedanken und Vorstellungen hervorgehen.
  • Was bleibt von Ihrem Christsein noch übrig, wenn Sie den Pharisäismus völlig streichen? Was ändert sich?



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