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Inhaltliche Zusammenfassung
Ob wir „Kinder des Lichts“ und als solche „erleuchtet“ sind, zeigt sich daran, ob wir
nach Gerechtigkeit, Güte und Wahrheit streben. Wir können wirklich nur danach streben,
Besitz davon ergreifen können wir nicht. Die Frucht, die wir bringen, ist für andere
da: der Sinn unseres Lebens ist Dienst; nur durch Hingabe verwirklichen sich Gerechtigkeit,
Güte und Wahrheit. Der „reiche Kornbauer“ erntet nicht die Früchte seiner Gerechtigkeit,
sondern seiner Habgier: es sind böse Früchte, an denen er selbst zugrunde geht. Gute
Frucht ist hergeschenkte Frucht, um die der Schenkende selbst gar nicht weiß. Eine
Rebe ist nicht dazu da, sich an ihren Trauben selbst zu bedienen; andere pflücken sie,
und was daraus wird, geht sie selbst wenig an (Wochenspruch Eph 5,8f).
Dass die gute Frucht für den, aus dem sie hervorgeht, unsichtbar bleibt, nötigt uns nicht
zu einer einseitig „negativen Theologie“, die nur benennen kann, wie Gott wie das Göttliche
nicht ist. Zwar ist die negative Theologie für das Verständnis des Göttlichen grundlegend
- nicht von ungefähr steht das Gebot, sich kein Götterbild zu machen, im Dekalog ganz
oben. Aber sie ist nicht alles. Sie bildet sozusagen den Hintergrund der Bühne, auf
der wir unseren Glauben leben. Die Theologie auf dieser Bühne ist ganz und gar positiv,
im Sinne der Grundbedeutung des Wortes „positiv“ als „gesetzt, gegeben“. Der positive
Glaube nimmt das Gegebene als gute Gabe und sinnvolle Aufgabe wahr. Das heißt: Wenn
wir auch unsere guten Früchte nicht sehen können, so können und sollen wir uns doch
unsere guten Gaben dankbar und mutig bewusst sein und das Beste daraus machen. Es
mögen gute Früchte daraus werden (Mt 5,13-16).
Wenn das Licht der Liebe in dunkle Zusammenhänge hinein leuchtet, die wir als „Werke
der Finsternis“ deuten, verändern sich die Urteile, die wir über die Menschen gefällt
haben, die so etwas tun: Aus Verurteilung wird Erbarmen. Wir hören auf, über das Schändliche
schändlich zu reden, indem wir den Stab über den Tätern brechen. Stattdessen schweigen
wir besser. Im Licht der Liebe bleiben wir, wenn wir die schändliche Tat verurteilen,
nicht aber den Täter selbst. Er ist ein Mensch wie wir (Eph 5,8b-14).
Als Christen sind wir zusammen mit den Juden dazu berufen, Pioniere, Vorreiter, Landgewinner,
Architekten und Bauleute des Friedens in der Welt zu sein. Aus Spießen und Schwertern sollen
Pflüge und Sicheln werden. Wirksame Friedenspolitik im Kleinen wie im Großen unterscheidet
die schändliche Tat und den, der sie anrichtet. Sie ist darum wehrhaft und dialogbereit
zugleich. Sie widersteht der bösen Tat und erbarmt sich über den Täter. So müssen,
solange es Böses gibt, Pflüge und Sicheln auch wieder zu Spießen und Schwertern werden,
nicht um der Rache und des Hasses willen, sondern damit die Gerechtigkeit der
Barmherzigkeit Raum schafft (Jes 2,1-5).
Wer sich dem Schändlichen verschreibt, verschließt sich dadurch selbst dem Leben im Licht.
Hier befindet sich die Grenzlinie der christlichen Moral. Das Schändliche ist das erkennbar
Destruktive. An seinen Früchten erkennt man das Schändliche - und die sind sehr wohl
sichtbar. Wem unglücklich Schändliches passiert, der braucht Schutz, aufrichtende
Ermutigung und neue Integration, wer aber das Schändliche pflegt, der braucht
wehrhaften Widerstand (1Kor 6,9-14).
Auch die schwerste und scheinbar unlösbare Not ist uns zur Aufgabe gegeben. Jesus
widerspricht einem Fatalismus, der die großen Nöte als Strafen Gottes deutet. Er
möchte, dass wir uns dadurch herausfordern lassen, um etwas dagegen zu unternehmen.
Gleichwohl gibt es Nächte, in denen die positive Antwort auf die Not ausbleiben muss,
weil sie zu groß und zu erdrückend ist. Aber selbst nach den Nächten des Holocaust
kommt ein neuer Morgen, an dem das Vergangene zur Aufgabe wird, aus den furchtbaren
Versäumnissen so nachhaltig zu lernen, dass es nie wieder dazu kommt. Diese Aufgabe
ist groß, betrifft die ganze Menschheit und ist auch nur durch gemeinsame
Friedenspolitik zu schaffen (Joh 9,1-12).
Es gibt keine Alternative zum Weg des Friedens. Der Weg des Friedens ist der Weg des Lebens.
Sünde ist Paulus zufolge Ablehnung des Lebens und darin Entscheidung für den Tod. Sünde
ist diese Entscheidung, weil die Ablehnung des Lebens Selbstbetrug ist. Annahme des
Lebens hingegen bedeutet, dass wir uns selbst und unsere Mitmenschen annehmen (Rö 6,19-23).
Vorschläge zur Vertiefung
- Bewegen Sie das Problem des Heiligenscheins. Betrachten Sie Ihre eigenen
Versuchlichkeiten zur Scheinheiligkeit. Was bedeutet es für Sie, ganz darauf zu
verzichten?
- Gehen Sie dem Gedanken nach, dass unsere Frucht nicht für uns selber da ist. Was
bedeutet es für Sie, ganz „umsonst“ Christ zu sein?
- Was bedeutet es für Sie unter diesem Gesichtspunkt, das Beste aus Ihren
Gaben zu machen?
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