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Samstag: Wochenspruch
Ein „Kind des Lichts“ wird man durch Erleuchtung. Wir sprechen von Erleuchtung, wenn uns
Lichter aufgegangen sind. Kennzeichend für alle echte Erleuchtung ist aber, dass sie den,
der sie erfährt, nicht zu einem Erleuchteten macht. Das wird daran deutlich, dass es
unmöglich ist, guten Gewissens von sich selbst oder einem Andern zu sagen, erleuchtet
zu sein. Die Erleuchteten und die Nicht-Erleuchteten gegeneinander abzugrenzen ist immer
ein Machtspiel, das Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit gerade nicht als Frucht hervorbringt,
sondern Bosheit, Ungerechtigkeit und Verlogenheit. Es produziert nur die Heiligenscheine
der Scheinheiligen.
Erleuchtung zu erfahren ist also in keiner Weise konservierbar. Die Erleuchtung will
immer neu gefunden werden, und immer wieder als neue. Erleuchtung ist nicht die
Wiederaufbereitung zurückliegender Erkenntnisse, es sei denn, sie wären in der
Gegenwart lebendig; als gegenwärtig lebendige sind sie aber zugleich vertraut
und doch auch wieder neu, weil sie in einem neuen Kontext und Blickwinkel aufleuchten.
Die Scheinheiligkeit weicht der echten Erleuchtung dadurch, dass wir uns nicht darum
bemühen, als Erleuchtete zu erscheinen, sondern dass unser Leben Güte, Gerechtigkeit
und Wahrheit hervorbringt. Wer das sucht, soll finden. Um das hervorzubringen,
brauchen wir Vorstellungen davon. Das ist der Sinn aller Theorie, sofern sie
wirklich einen Erkenntnisfortschritt bedeutet. Jede echte Theorie ist ein
innovatives Modell von Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Ursprünglich hat
man unter „Theorie“ das verstanden, was aus der kontemplativen Betrachtung
hervorgeht. Für jede echte, innovative Theorie gilt das nach wie vor.
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