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6. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Das Sakrament der Taufe
Wochenspruch: „So spricht der Herr, der dich geschaffen hat:
Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst;
ich habe dich bei deinem Namen gerufen;
du bist mein.“ Jesaja 43,1 |
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Mittwoch:
Apostelgeschichte 8,26-39
Um einzelne Bibelstellen recht verstehen zu können, benötigen wir die Kenntnis der
Zusammenhänge, in denen sie stehen. Ein Text kann verschiedenen Zusammenhängen zugehören,
die auch zueinander in Spannung stehen können. Das trifft zweifellos für diese Stelle aus
Jesaja zu, auf die der Text verweist: Ein jüdischer Theologe deutet ihn anders als ein
christlicher, weil er einen anderen Zusammenhang sieht, der ähnlich ist wie der christliche,
aber doch nicht identisch.
Wir tun uns schwer, Sinn und Berechtigung anderer Zusammenhänge zu akzeptieren,
wenn wir von dem, den wir selbst gefunden haben, besonders angetan und überzeugt
sind. Darum stehen sich in der Theologie zu oft verschiedene Ansätze feindlich
gegenüber, statt sich als Ergänzung zu begrüßen. Darum gibt es oft auch keinen
theologischen Fortschritt. Je mehr eine Theologie darauf pocht, die einzig wahre
zu sein, desto zweifelhafter wird sie. Dasselbe gilt übrigens auch generell
für die Wissenschaft.
Der äthiopische Finanzminister verhält sich ähnlich wie schon die Ahnfrau seiner
Monarchin, die der Überlieferung nach jene märchenhafte Königin von Saba gewesen
ist, die Salomo in Jerusalem aufsuchte, um ihn „mit Rätselfragen zu prüfen“
(1Kö 10,1), und die sich durch seine Antworten von seiner Weisheit überzeugen
ließ. Es kann gut sein, dass er sie sich zum Vorbild nahm. Jedenfalls wird beiden,
dem „Kämmerer“ und der Königin von Saba, in der äthiopischen Kirche eine Hauptrolle
in ihrer Entstehungsgeschichte zugeschrieben.
Dann steht dieser Mann wie jene Königin also für einen ehrlich suchenden
Menschen, der nicht nur bereit ist, den eigenen Horizont zu erweitern, sondern
der sich auch auf den Weg dorthin macht. Diese Geschichte lehrt uns, dass der
Heilige Geist offenbar alle Hebel in Bewegung setzt, Wahrheitsliebende wie
diesen auch wirklich finden zu lassen, was sie suchen.
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