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Samstag: Wochenspruch
Paulus schreibt über das Gebet: „Wir wissen nicht, was wir beten sollen“ (Rö 6,26).
Aus dem Zusammenhang dieser Aussage wird deutlich, dass er damit nicht nur besondere
Notsituationen meint, in denen es uns die Sprache verschlägt. Um zu verstehen, was
er wirklich sagen will, sei die ganze Passage zitiert:
„Denn wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht,
ist nicht Hoffnung; denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht? Wenn wir aber
auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld. Desgleichen
hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten
sollen, wie sich's gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem
Seufzen. Der aber die Herzen erforscht, der weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet
ist; denn er vertritt die Heiligen, wie es Gott gefällt. Wir wissen aber, dass denen,
die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen
sind“ (Rö 8,24-28).
Daraus folgt:
(1) Wir wissen nicht, was wir beten sollen, weil wir das, was wir hoffen, nicht sehen.
Was wir aber nicht sehen, können wir auch nicht in Begriffe fassen und darum nicht
zur Sprache bringen. Wir haben Vorstellungen und sogar Visionen, die aber das Ziel
unserer Hoffnung immer nur symbolisieren können. Das Ziel selbst bleibt
unaussprechlich.
(2) Der Geist weiß um dieses Ziel, aber weil es unaussprechlich bleibt, fasst er
es nicht in Worte. Er seufzt. Wir erfahren das Seufzen als Bewegung des Herzens auf das
Ziel unserer Hoffnung hin. Diese Bewegung kommt nicht aus uns selbst, sondern wir selbst
sind die Bewegten. Darum sagt Paulus, dass der Geist uns „vertritt“: Er tritt für uns ein.
Er schafft in uns, was wir nicht schaffen können: die Herzensbewegung des rettenden Glaubens.
Wenn wir in Wahrheit beten, dann nur als Mitbetende, Mitgenommene im Doppelsinn des Wortes,
bewegt durch den Geist, der selbst in uns betet, indem er uns auf das Ziel hin bewegt.
Alles Beten, das nicht aus dieser Herzensbewegung kommt, ist entweder Notschrei oder
Geschwätz.
(3) Es ist bezeichnend, dass Paulus hier nicht zwischen Gottes Geist und unserem Geist
unterscheidet. Man mag sagen: Beten ist die inspirierte Bewegung unseres eigenen Geistes.
Paulus sagt im selben Kapitel: „Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes
Kinder sind“ (Rö 8,16). Wörtlich steht hier: „Er bezeugt zusammen mit unserem Geist“. Die
Gewissheit der Vertrauensbeziehung zu Gott entsteht also aus dem Einklang unseres Geistes
mit seinem Geist. Musikalisch ausgedrückt: Gottes Geist und unser Geist bezeugen es unisono.
In ihrem Gleichklang sind die Stimmen nicht unterscheidbar. Das hat seinen Grund darin,
dass es überhaupt keine greifbare Trennlinie zwischen unserem Geist und Gottes Geist gibt,
weil unser Geist so unsichtbar und unbegreifbar ist wie Gottes Geist. Diese Unsichtbarkeit
und Unbegreiflichkeit entspricht der Unsichtbarkeit und Unaussprechlichkeit des Ziels der
Hoffnung.
(4) Wir wissen nicht, wie wir beten sollen, aber wir wissen, dass uns alle Dinge
zum Besten dienen müssen. Das ist der Schlüssel zum Gebet des Herzens. Er dreht sich
im Schloss durch ehrliche Klage und ehrlichen Dank. Klage ist das Ringen um dieses
Wissen, wenn die Erfahrung stark dagegen spricht. Klage ist kämpfender Widerstand
gegen die Sorge. Dank ist das Einschwingen auf dieses Wissen, das singende und
klingende kindlich unbesorgte Vertrauen.
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