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Donnerstag:
Jesaja 12,1-6
Erst vom Trost her wird die Erfahrung des Zorns dankenswert. Zorn ohne Trost, trostloser Zorn,
ist Zorn ohne Grund, ohne Sinn, ohne Ziel. Trost ist ja nichts anderes als Ermutigung. Mut
gewinne ich, wenn ich Sinn finde. Tröstlich ist in schweren Zeiten, wenn als Gewissheit
transparent wird, wozu sie gut sind. Das Problem Hiobs ist nicht sein Leiden selbst, sondern
die Sinnlosigkeit seines Leidens. Mit seiner Wut gegen Gott geht es ihm nicht zuerst um die
Beendigung seines Leidens. Er ist bereit, es zu ertragen, wenn Gott ihn nur wissen lässt,
wozu es gut sein soll. Hiob tobt gegen Gott, damit Gott endlich sein Schweigen bricht und
ihm antwortet. Hiob ringt verzweifelt nach Sinn. Erst in der Sinnlosigkeit erfahren wir
wirkliche Gottverlassenheit.
Tröstlich ist natürlich auch die Abwendung des Leids. Zu viel Last zermürbt, zu wenig
Bedürfniserfüllung hinterlässt schwere psychophysische Schäden, so tapfer wir uns auch
dagegen wehren. Jedes Leid braucht sein Maß. Das Übermaß zerstört uns, und dann stellt
sich die Frage nach dem Sinn verschärft. Hiob ist sich auf dem Höhepunkt seines Leidens
sicher, dass er ganz elend und verlassen von Gott und den Menschen stirbt. Das ist
keine Einbildung, sondern reale Erfahrung. Darin findet er keinen Sinn.
Nicht nur der „äußere Mensch“ wird massiv angegriffen, wenn sich das Übermaß des
Leidens mit dem Schweigen Gottes verbindet, sondern auch der „innere Mensch“, das
Selbstbewusstsein, der innere Friede. Das bezeugt auch Paulus. Er schreibt, dass
der innere Mensch von Tag zu Tag erneuert wird, wenn auch der äußere Mensch seine
Kraft verliert, nicht zuletzt unter dem Ansturm immer neuer Leidenswellen (2Kor 4,16).
Aber im selben Brief schreibt er auch, dass er und seine Freunde „über die Maßen
beschwert waren und über unsere Kraft, sodass wir auch am Leben verzagten und es
bei uns selbst für beschlossen hielten, wir müssten sterben“ (2Kor 1,8f). Man
kann auch für beschlossen halten, dass man sterben muss, ohne am Leben zu verzagen.
Wenn man aber am Leben verzagt, dann kommt man innerlich nicht mehr zurecht.
Man sieht keinen Sinn mehr. Man ist sehr geneigt, ganz aufzugeben.
In seinem wahrscheinlich letzten Brief an die Philipper, dem so genannten
„Freudenbrief“, kommt der Unterschied deutlich zum Ausdruck. Da sieht Paulus
auch dem Tod ins Auge, aber er ist ganz ruhig, gelassen und sogar voller Freude.
Doch das Übermaß raubt die Freude und den Mut. Es bedrückt nicht nur äußerlich,
es drückt irgendwann auch zu sehr auf den inneren Menschen. Dann knickt das Rohr
und es bleibt von Glaube, Hoffnung und Liebe nur noch der glimmende Docht.
Paulus bezeugt es im Rückblick und dieser Jesajatext sagt es voraus: Die finsteren
Täler haben ein Ende. Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels. Dort atmen wir unendlich
erleichtert auf. Dort bleiben nur noch Dankbarkeit und Freude.
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