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Palmarum
Leitmotiv: Der Passionsweg
Wochenspruch: „Der Menschensohn muss erhöht werden,
damit alle, die an ihn glauben,
das ewige Leben haben.” Johannes 3,14-15 |
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Mittwoch:
Jesaja 50,4-9
Dieser Gottesknecht verkörpert das Gegenteil der „Sklavenmoral“ der Christen, die Nietzsche so
scharf und nicht ohne Grund geißelte. Er ist stolz und aufrecht. Er bietet seinen Feinden die
Stirn. Er hält den Kopf hin, statt feige auszuweichen. Genau das ist die Haltung, von der Jesus
in der Bergpredigt spricht, wenn er dazu auffordert, dem, der uns auf die eine Wange schlägt,
auch die andere darzubieten. Nicht weil wir es gut finden sollen, geschlagen zu werden, sondern
um ihn mit seinem Handeln zu konfrontieren. Die Liebe ist wahrhaftig. Sie gibt dem Bösen nicht
nach. Sie widersteht. Aber sie widersteht nicht dadurch, dass sie Böses mit Bösem vergilt.
So verhält Jesus sich auch selbst, als er zum Scheinprozess vor den Hohenpriester
gezerrt und durch die Ohrfeige des Gerichtsdieners gedemütigt wird: „Habe ich übel
geredet, so beweise, dass es böse ist; habe ich aber recht geredet, was schlägst
du mich?“ (Joh 18,23).
Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, das sich auch in jüdischer und
christlicher Theologie festgesetzt hat, dass wahre Liebe nur Nächstenliebe, nicht
aber auch Selbstliebe sei, und dass sich darum ein wahrer Gottesknecht zwar mit
aller Kraft für den Schutz der Würde anderer einzusetzen habe, seiner eigenen
Entwürdigung hingegen nicht widerstehen solle. Das ist grundverkehrt. Nicht ob
wir unsere eigene Würde schützen steht in Frage, sondern wie wir es tun: Ob wir
Destruktivem destruktiv begegnen oder konstruktiv. Ob wir in Wahrheit und Liebe
bleiben oder ob unsere Wahrheit lieblos und unsere Liebe unwahrhaftig wird.
Der Gottesknecht macht seine Stirn hart wie einen Kiesel, weil er davon überzeugt ist,
dass Gott ihn absolut bejaht. Wer seine Würde zutiefst in Gott gegründet weiß, wie
kann der sich widerspruchlos entwürdigen lassen? Wer von Gott die höchste Achtung
und den größten Wert erhält, wie kann der sich selbst verachten und entwerten? Wer
von Gott so sehr geliebt wird, dass Gott alles für ihn gibt, wie kann der sich
selbst nicht lieben?
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