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Mittwoch:
1. Petrus 1,13-21
„Geheiligtes Leben“ ist dieser Text in der Lutherbibel überschrieben. Heiligung besteht aus
zwei Komponenten, sagt er uns. Die eine Komponente ist die Vergegenwärtigung der
Rechtfertigung. Wir machen uns bewusst, was Gott für uns getan hat, wir nehmen es
gänzlich in Anspruch, wir stellen uns auf das feste Fundament der Erlösung. Die zweite
Komponente ist die Freiheit des eigenen Handelns: Wir delegieren nicht die Verantwortung
für unseren eigenen Umgang mit „den Begierden“ an Gott, unser Schicksal und andere
Menschen. Es handelt sich bei den Begierden, von denen hier die Rede ist, um die bösen
Begierden, konkret: um die Versklavung unter emotionale Reaktionen, die uns zu fremd-
und selbstschädigendem Verhalten nötigen.
Aus der Perspektive Gottes bedeutet Heiligung unserem Text nach vor allem meine
vollständige Akzeptanz als Person, mit allem Unfertigen und Unbewältigten, allen
Mängeln und Fehlern, aller Unwissenheit und daraus entstehenden Dummheit, allem
Scheitern, aller Schuld, allen Einseitigkeiten. Gott identifiziert nicht meine
einzelnen Verhaltensweisen und auch nicht ihre Summe mit meiner Gesamtperson.
Wir sind in seinen Augen nicht unser Verhalten. Das gilt sowohl für unser
Fehlverhalten wie auch für unsere „guten Taten“. Wir können uns weder durch
unsere Guttaten bei ihm beliebt machen noch durch unsere Fehler seine Liebe
verscherzen. Wir sind immer schon geliebt und wir bleiben geliebt, weil Gott
selbst die Liebe ist.
Das ist der theologische Grund unserer Freiheit und der Sinn dieser Freiheit besteht
darin, diese Freiheit auch zu leben. Freiheit leben und erfahren wir, wenn wir uns
nicht von jenen Begierden knechten lassen, sondern unsere Emotionen und unser
Verhalten selbst vernünftig konstruktiv steuern.
Gott „richtet ohne Ansehen der Person einen jeden nach seinem Werk“. Das bedeutet:
Gott ermöglicht uns die Freiheit des Handelns, weil er uns nicht als Gesamtpersonen
auf unsere Fehler, Schwächen und unsere Schuld festlegt. Wir sind gerechtfertigt
„ohne Ansehen der Person“, weil wir seine geliebten Menschen sind. Darum zählt
für Gott nicht, wer wir sind, sondern was wir tun und lassen. Gott mutet und
traut uns zu, dass wir vernünftig entscheiden und handeln, indem wir uns von
Glaube, Hoffnung und Liebe leiten lassen, und er verspricht uns, dass er
unsere bescheidenen Versuche der Umsetzung sorgsam wahrnimmt und ernst
nimmt, weil er unsere Freiheit ernst nimmt.
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