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Lukas 12,35-40
Alles kommt auf das Wachen an. Das Kommen des Menschensohns ist nicht berechenbar. Wir
müssen nicht davon ausgehen, dass wir grundsätzlich lang auf ihn zu warten haben, aber
es kann durchaus sein. Von den Gründen dafür spricht Jesus nicht.
Das Wachen geschieht, indem wir die „Lenden umgürten“ und „unsere Lichter brennen
lassen“. Konkret heißt das: Flexibel bleiben, denn die „umgürteten Lenden“
ermöglichen Bewegungsfreiheit für die Beine. Zweitens heißt es: die Freiheit
des Entscheidens und Handelns wahren; ohne Licht kann ich nicht beurteilen,
welche Handlungsmöglichkeiten ich habe, und selbst wenn ich es könnte, wüsste
ich nicht, wie sie umzusetzen wären.
Bewegungsfreiheit, Entscheidungsfreiheit und Handlungsfreiheit kennzeichnen das
Wachen also. Das steht im Gegensatz zum passiven Warten. Wer so lebt, füllt vielmehr
seine Gegenwart aus, er lebt ganz im Hier und Jetzt. Aber er lebt hoffnungsvoll im
Hier und Jetzt. Dies ist das erste Paradox des Textes: Die angemessene Vorbereitung
auf die Wiederkunft des Menschensohns besteht in der ungeteilten hoffnungsvollen
Konzentration auf das Hier und Jetzt.
Das zweite Paradox liegt in der Erfahrung der Ankunft des Menschen-sohns: Wir
dienen ihm, wenn wir unsere Verantwortung für die Gegenwart ganz bejahen und
uns Tag für Tag zuversichtlich ganz darauf konzentrieren. Wir dienen ihm als
Haushalter in seiner Abwesenheit, wenn er aber kommt, kehrt sich das
Dienstverhältnis um. Nicht dass wir dann seine Herren werden, aber er dankt
es uns, er lohnt es uns.
Wieder einmal kommt es auf die Reihenfolge an. Die Wahrnehmung unserer völligen
Eigenverantwortung in seiner Abwesenheit ist die Voraussetzung für die Erfüllung
unserer Sehnsucht nach Trost, Entlastung, Bestätigung und Ehre.
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