1./2. Sonntag nach dem Christfest
Leitmotiv: Aufbruch zur Menschlichkeit
Wochenspruch: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“
Lukas 2,29f



Inhaltliche Zusammenfassung

Lebendiger Glaube trägt die unerschütterliche Gewissheit in sich, dass sich Gottes Versprechen erfüllen müssen. Darum resigniert er nicht. Der lebendig Glaubende redet sich die Hoffnung nicht ein, sondern er nimmt sie in sich wahr und lässt sie in sich wirken. Diese Hoffnung kann nicht verlöschen und sie kommt zum Ziel, wenn die Wartezeiten auch lang sind (Lk 2,25-38).

Das, worauf wir sehnsuchtsvoll warten, ist die Erfüllung unserer tiefen und echten Bedürfnisse. Wer nach dem Lustprinzip lebt, verzichtet auf diese Erfüllung, um ohne größeren Aufwand augenblicklich vorherrschende Lüste zu befriedigen. Umgekehrt gilt: Wer sich auf die Erfüllung der Verheißungen Gottes ausrichtet, begibt sich damit nicht in Gegensatz zu seinen Bedürfnissen oder in eine höhere Region, in der sie nicht mehr wichtig sind, sondern er bricht auf zu ihrer Erfüllung. Die Erfüllung ist wahre, echte, lebendige und sehr natürliche Freude (1Joh 1,1-4).

Marias Mann Joseph ist Symbol der demütigen Rücknahme kurzfristiger eigener Bedürfnisziele, um der Erfüllung wichtigerer Ziele nicht im Weg zu stehen. Damit ist er auch Vorbild für die Rolle des Mannes in Ehe, Familie und Gesellschaft und Gegenbild zum vorherrschenden Chauvinismus. Herodes kontrastiert die Haltung Josephs: Er ist ein wahrer Lüstling und Menschenverächter (Mt 2,13-18).

Wesentlich zur Weihnachtssymbolik gehört die dunkle Nacht, in der das Licht erscheint. Dort, wo Jesus zur Welt kommt, herrscht grausamste Unmenschlichkeit vor. Davon redet Mt 2,13-18. Die Unmenschlichkeit wird aber auch vor der Kirche nicht halt machen. Sie wird sich als Pseudochristentum in ihr manifestieren. Johannes sieht voraus, was den wahren Auftrag und das wahre Wesen der Kirche in der Folgezeit verdrehte und verzerrte und bezeichnet es als das Antichristliche (1Joh 2,21-25).

Die Finsternis ist real, nicht zuletzt auch in der Kirche selbst. Aber so wie Dunkelheit in einem Raum keine Macht über den Kerzenschein hat, der hineingetragen wird, kann auch die Finsternis in Kirche und Welt dem Lichtschein der Liebe nicht erfolgreich widerstehen. Die Quelle des Lichts ist Gott, der Vater, der Schein des Lichts, durch den es zu uns kommt und uns leuchtet, ist seinen eigenen Worten nach Jesus, der Sohn. Die Göttlichkeit der Liebe erreicht uns in seiner wahren Menschlichkeit (Joh 12,44-50).

Das Licht scheint in der Finsternis, aber manchmal gehen die Lichter aus. Dann sind wir gottverlassen. Wenn Jesaja auch sagt, dass es sich dabei nur um kurze Übergänge handelt, reichen diese Erfahrungen für uns Menschen doch bei weitem aus, um an Gott irre zu werden. Wenn alle Lichter ausgegangen sind, wütet die Unmenschlichkeit mit ungehemmter Bestialität. Die Genozide, vor allem die des 20. Jahrhunderts, bezeugen das in der schrecklichsten Weise. Wenn aber Gottes Licht schwindet, dann liegt es an der menschlichen Schuld. Alle Lichter gehen aus, wenn wir die Liebe leugnen und ermorden. Weil wir Gott verlassen, indem wir so mit der Liebe umgehen, sind wir von Gott verlassen. Er straft uns nicht damit, sondern wir jagen ihn fort und nageln ihn ans Kreuz (Jes 49,13-16).

Vorschläge zur Vertiefung
  • In der Tradition der „zwölf heiligen Nächte“ zwischen Weihnachten und Epiphanias wird am 28.12. der Text Mt 2,13-18 (s. oben) gelesen und der Ermordung der unschuldigen Kinder durch Herodes gedacht. Das Thema dieses Tages lautet: „Gott kommt in die Finsternis“. Lassen Sie sich auf diesen Text und diesen Gedanken ein. Meditieren Sie die schreckliche Geschichte des Kindermords im Kontext der Weihnachtsgeschichte.
  • Halten Sie die Spannung des krassen Gegensatzes aus und nehmen Sie das, was Sie dabei bewegt, in Ihre Neausrichtung auf das kommende Jahr auf. Wer sind diese „unschuldigen Kinder“ heute? was bedeutet das für Sie?



E-Mail: info@isa-institut.de       Datum der letzten Änderung: 01.11.2020