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Donnerstag:
Johannes 1,19-23
Zwei Glaubenssysteme begegnen sich in diesem Text, die sich gegenseitig ausschließen;
man mag sie in diesem Zusammenhang das pharisäische und das messianische nennen. Das
pharisäische verlangt „Fakten“, das messianische glaubt, hofft und liebt. Glauben
und Hoffen ist Vertrauen und Wagnis, also ein Nicht-Haben, Nicht-Verfügen, ein Verzicht
auf Sicherung, ausgerichtet auf und angetrieben von der Liebe, damit sie sich erfüllen
möge. Der pharisäische Glaube ist reich an Wissen und Macht, der messianische Glaube
ist arm. Er sieht ein Licht und folgt seiner Spur, aber er weiß gar nicht viel zu sagen
über dieses Licht; es ist mehr Ahnung als Plan, was ihn weitergehen lässt. Er tastet
sich voran wie ein Blinder, dem nur die Widerstände den Weg weisen. Geduldig erspürt
er seinen Weg die Grenzen entlang. „Er ist das Licht der Blinden, erleuchtet ihr
Gesicht“ (Ev. Kirchengesangbuch 302).
Der pharisäische Glaube baut seine Macht aus. Er grenzt sich ab, grenzt aus, was
ihn stört, grenzt ein, was sich ihm anpasst und unterwirft. Der messianische
Glaube horcht und tastet.
Jesus wird Johannes den Größten unter allen Propheten nennen, aber Johannes
bleibt es verborgen. Sein Pfad ist schmal. Er sieht nicht, was er sieht,
er weiß nicht, was er weiß, er hat nicht, was ihm gegeben ist. Seine Blindheit
ist Wüste. Dort spricht allein die Stimme seines Herzens. Ihr gibt er Raum.
Er lässt sie schwingen und klingen. Aber auch darüber verfügt er nicht. Er
selbst muss horchend deuten, was da in ihm und aus ihm denkt, flüstert, summt,
redet, singt und schreit. Deuten muss er, um zu verstehen. Verstehen ist
Sinnfindung.
Johannes versteht: Dass dem Kommenden der Weg bereitet werde, dazu ist er
unterwegs. Die Zeit ist reif. Es gibt ein nahes Ziel für den Glauben und
die Hoffnung. Reife Zeit, hohe Zeit: Hochzeit. Erfüllung.
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